Citoyen Pascal Couchepin – ancien CdA d’Elektrowatt

In der laufenden Diskussion zur Abstimmung vom 21. Mai melden sich viele Ehemalige zu Wort, welche teils wortreich die gute alte Welt verteidigen, die sich aber leider trotz der vielen schönen Überlegungen und hehren Gedanken nicht mehr zurückholen lässt. „The Times they are changing“ – wie es Bob Dylan besingt: rasant kehrt sich alles wegen neuer Technologien und Märkte sowie verschobener Machtverhältnisse.

Gemeldet hat sich auch alt Bundesrat Pascal Couchepin, der gemäss seiner Aussage „als Citoyen die Energiepolitik seit 40 Jahren verfolgt“ und sich nun gegen die Vorlage stellt, obwohl er sich mit den Zielen einverstanden erklären könnte. Doch die Unterstützung der Betreiber von Wasserkraftwerken ist ihm ein Dorn im Auge und als Liberaler spricht er sich gegen „subventions géneralisées“ aus.

Dazu sind doch einige Anmerkungen zu machen, denn Pascal Couchepin war in seiner Karriere vor dem Bundesrat alles andere als ein normaler „Citoyen“ am Rande des Spielfelds der Schweizer Energieszene. Nationalrat Couchepin war Mitglied des Verwaltungsrats der damals kräftig durchgeschüttelten Forces Motrices Valaisannes FMV und er war auch Mitglied des Verwaltungsrats einer Firma, welche beim Unfall von Creuson-Dixence Verantwortung zu tragen hatte. Er war vor allem – in der damals entscheidenden Zeit – auch Mitglied des Verwaltungsrats der Elektrowatt. Diese hielt, im Besitz von Credit Suisse, ein Konglomerat mit breitester Ingenieurkompetenz, Stromfirmen wie EGL und vielfältigen Industriebeteiligungen in den Bereichen Messen, Regeln und Steuern über Cerberus, Elektromagnetik mit Schaffner Luterbach oder in der Gebäudetechnik mit Landis & Gyr. Viele dieser Aktivitäten waren mit grossen Investitionen verbunden, sodass die Bank gleich auch die Finanzierung mitofferieren konnte. Aber damals herrschte bei den Grossbanken ein wohl von einem Berater proklamierter neuer Leitsatz vor, man solle sich auf das Kerngeschäft konzentrieren und schwups stand alles, was „nicht zum Kerngeschäft gehörte“, zur Disposition, wurde filetiert und dem jeweils Meistbietenden verkauft.  

Und so kam es, dass in der Ära von Verwaltungsrat Pascal Couchepin dann grosse Teile des industriellen Schweizer Know-hows in ausländische Hände geriet und heute unter deutscher oder japanischer Flagge segelt*). Die Assets von Stromfirmen wie EGL mitsamt der Führung des KKW Leibstadt kamen grossteils als Teil der NOK in direkten staatlichen Besitz, andere Teile wurden aber auch an eine Vorgängerorganisation der e.on veräussert: Verstaatlichung einerseits, Ausverkauf der Heimat anderseits waren also die wesentlichen Resultate von Pascal Couchepins „liberalem“ Wirken im Energiesektor.

Am Rande einer Tagung in Baku hatten Pascal Couchepin und ich 2013 auf der dortigen Schweizer Botschaft einen intensiven Disput über den Ausstieg aus der Atomenergie. Sie gipfelte in seiner Behauptung, wäre er 2011 noch im Bundesrat gewesen, hätte dieser nie diesen Entscheid gefällt. 

Seine jetzige Kritik an der Subventionierung der Besitzer von Wasserkraftwerken mag ich deshalb nicht zum Nennwert nehmen. Denn erstens werden diese Beiträge nicht als „subventions géneralisées“ allen Betreibern ausbezahlt, sondern nur jenen Wasserkraftwerken, welche ungedeckte Kosten haben. Zweitens wäre die Alternative wohl, dass noch mehr Druck auf eine rasche und massive Reduktion der Wasserzinsen erfolgen würde, was ja wohl nicht im Interesse eines ehemaligen Walliser Magistraten sein kann.

Aber Pascal Couchepin ist ein Polit-Tier, das sich immer wieder gerne in Szene setzt und provoziert, so auch jetzt vor der Abstimmung zum neuen Energiegesetz. Vielleicht sollte er sich dabei aber etwas mehr seiner Vergangenheit bewusst werden und zur Kenntnis nehmen, dass der unter dem Dach der Credit Suisse segelnde neue Energieinfrastrukturfonds CSEIP sich jetzt teils genau an jenen Assets zu beteiligen sucht, die in seiner Ära von Credit Suisse verkauft worden waren. 

*) nur gerade für die Schaffner AG Luterbach wurde mit Unterstützung des Kantons Solothurn ein MBO umgesetzt, die Firma ist auch heute noch an der Börse kotiert
Erscheint in Kurzform im Energate Messenger vom 28. April 2017

Deutschland kopiert die Schweiz

GASTKOMMENTAR zur Debatte über die Energiewende und zu Thomas Pfisterers Beitrag. Erschienen in der Nordwestschweiz vom 25. April 2017
Mit dem Zweihänder griff alt Ständerat Thomas Pfisterer in der «Nordwestschweiz» vom 19. April in die aktuelle Debatte zur Abstimmung vom 21. Mai 2017 ein. Er behauptet, die Schweiz ahme in der Energiepolitik die Politik von Deutschland nach, und die Energiestrategie 2050 führe – speziell im Aargau – zu Nachteilen für Arbeitskräfte und Wettbewerbskraft.

In Pfisterers Argumentation geht vieles an den Fakten vorbei. Die Schweizer Energiepolitik wie auch der Atomausstieg sind pragmatisch und nicht von Ideologien geprägt: Während Deutschland fixe Abschaltdaten für seine Atomkraftwerke definiert hat und das letzte Kernkraftwerk Ende 2022 vom Netz geht, produzieren in der Schweiz die bestehenden Kernkraftwerke Strom, solange sie sicher sind. Über Sicherheit entscheidet dabei nicht die Politik, sondern die Sicherheitsagentur für Kernkraftwerke, das in Brugg beheimatete Ensi). Dieser Ansatz wurde im vergangenen Herbst auch von einer Volksmehrheit befürwortet. Er erlaubt, dass eben nicht mehr Kohlestrom importiert werden muss, um Versorgungslücken zu decken, sondern – bei genügend Investitionen in die Sicherheit – die bestehenden Kernkraftwerke so lange wie nötig am Netz zu lassen.

Thomas Pfisterers Behauptung ist nicht nur falsch, sondern das Gegenteil ist richtig: Deutschland kupfert mehr und mehr Elemente unserer Energiepolitik ab. Bereits umgesetzt hat Deutschland den Neustart der Suche eines Tiefenlager-Standorts für radioaktive Abfälle – nach Schweizer Vorbild. Auch für einen Neustart der Finanzierung von Stilllegung und Entsorgung war die Schweiz den Deutschen ein Vorbild. In Deutschland waren bis jetzt die finanziellen Rückstellungen für diese beiden Bereiche Teile der Konzernbilanz von RWE, e.on, EnBW und all den andern. Damit war die Gefahr gross, dass diese Mittel bei einem Konkurs der Unternehmen nicht mehr vorhanden wären. Die Kollegen vom deutschen Wirtschaftsministerium liessen sich von uns über die seit den Achtzigerjahren gebildeten unabhängigen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds informieren und stellten wenige Wochen später ein Modell vor, das unverkennbar von unseren Konzepten inspiriert war. Nachdem wir die Schweizer Lösung in Berlin auch einer hochkarätigen Atomkommission vorgestellt hatten, genehmigte dieses Gremium sowie später Regierung und Parlament das neue Modell mit einem von den Konzernen unabhängigen Entsorgungsfonds.

Gute Erfahrungen machen wir in der Schweiz mit Modellen der Ausschreibungen für Energieeffizienzprojekte. Derartige Auktionen erlauben, die pro gesparte Energieeinheit kostengünstigsten Vorhaben zu realisieren und die teureren nochmals in die Überarbeitung zu schicken. Deutschland hat dieses Modell für Effizienzprojekte praktisch eins zu eins übernommen. Zudem hat es sich nach längeren Diskussionen auch entschieden, künftig den Zubau von Projekten für erneuerbare Energien nach diesem Konzept, also mittels Auktionen, zu vergeben. Auktionen für den Zubau der Erneuerbaren gibt es bei uns zwar nicht, doch der Grundgedanke ist der Gleiche: Der Zubau soll dosiert erfolgen und die finanziellen Mittel sollen klar begrenzt werden. Diese Limitierung ist im nun zur Abstimmung gelangenden Energiegesetz ein wichtiges Steuerungselement.

Lange Diskussionen führten wir mit den deutschen Kollegen auch zur Eigenverbrauchsregelung. Uns schien nicht sinnvoll, die Fördertöpfe wie in Deutschland unnötig anwachsen zu lassen. Mit dem 2014 eingeführten Eigenverbrauchsprinzip soll der Besitzer einer Photovoltaikanlage den selbst produzierten Strom vor allem selbst konsumieren und nur den Überschuss ins Netz liefern. Als Förderung erhält er statt der Einspeisevergütung einen einmaligen Investitionsbeitrag an die Kosten der Anlage und ist für die Vermarktung seines Stroms selbst verantwortlich. Mit dem nun zur Abstimmung kommenden neuen Energiegesetz soll die Finanzierung über Investitionsbeiträge auf weitere Anlagetypen ausgedehnt werden.

Das neue Energiegesetz ist ein nach fünf Jahren intensiver Diskussion austariertes pragmatisches Kompromisswerk, welches auch den Kantonen Spielräume lässt. Die Regierung des Kantons Aargau hat diesen Gestaltungsraum geschickt genutzt und den Standort als Energiekanton mit verschiedensten Initiativen neu aufgestellt. So wurde die Forschungslandschaft gestärkt, die Kooperation zwischen Hochschulen und Fachhochschulen ausgebaut und ein Innovationspark lanciert, alles in Abstimmung mit den im Aargau beheimateten Industrieperlen, aber auch mit Klein- und Mittelbetrieben. Zudem erhielt das PSI den Lead in einem wichtigen Swiss Competence Center for Energy Research und positioniert sich in verschiedensten Energieforschungsgebieten auch international in der Spitzengruppe. In einem sich rasch ändernden und technologisch anspruchsvollen Umfeld sind deshalb die Chancen gut, dass sich dieser Werkplatz mit Unterstützung der vom neuen Energiegesetz gebotenen Rahmenbedingungen optimal entfalten und neue attraktive Arbeitsplätze schaffen wird.

 

Der Autor, aufgewachsen in Aarau und Niedergösgen, war Wirtschaftsförderer in den Kantonen Solothurn und Baselland und Direktor des Bundesamtes für Energie (2001–2016).

Rentenalter 65+ – eigentlich nötig, aber kaum umsetzbar

Ich mag mich noch gut erinnern: vor vierzig Jahren wollte ich als junger und kämpferischer Mitarbeiter der Solothurner Kantonalbank in eine richtige Gewerkschaft eintreten. Der Bankpersonalverband schien mir arg bürgerlich, er war auch nicht in den Schweizerischen Gewerkschaftsbund integriert. Deshalb schien es mir nur richtig, in den Verband des Personals Öffentlicher Dienste VPOD einzutreten. In Solothurn war damals Hans Affolter Präsident der Sektion Staatspersonal, sodass ich den Kontakt mit ihm suchte. Hans Affolter war stellvertretender Staatsschreiber und Chefjurist der Regierung, er war auch der Sohn des ersten sozialdemokratischen Regierungsrates im Kanton Solothurn. Aber Hans Affolter war auch ein Mann, der sich zu mindestens 100% für seine Arbeit engagierte und daneben Politik auf kommunaler sowie kantonaler Ebene mit Leidenschaft betrieb.

So suchte ich Hans Affolter in seinem Büro im verwinkelten Rathaus auf und sah ihn hinter seinen Aktenbergen. Er bot mir einen Stuhl an und wir begannen über die kantonale Politik, die Gewerkschaften und deren wichtigste Anliegen zu diskutieren. Hans Affolter, damals 64 und kurz vor seiner Pensionierung stehend, machte sich für eine Erhöhung der Altersgrenze auf weit über 65 Jahre stark und plädierte dafür, man solle so lange arbeiten können wie es einem beliebt. Ich als junger Heisssporn meinte dagegen, das Rentenalter müsse herabgesetzt werden, weil die Leute spätestens mit 60 körperlich ziemlich am Ende seien und deshalb Anspruch auf Rente sowie einen neuen Lebensabschnitt mit Freizeit und Freiheiten hätten. Wir wurden uns klar nicht einig. Er gestand zwar den Bauarbeitern ein tieferes Rentenalter zu, doch alle anderen sollten ihren Abschied aus der Arbeitswelt frei wählen können, er würde jedenfalls gerne bis 70 weiterarbeiten.

Ab dem darauffolgenden Jahr habe ich Hans Affolter dann oft in der Stadt gesehen, weil er seine Arbeit abgeben und ins Rentenalter wechseln musste. Er war damals Junggeselle, hatte neben der Politik nur wenige Hobbies. In der Folge hat er dann Sommer für Sommer in der Badi Solothurn bis ins hohe Alter jeweils den Saisonsieg beim Langstreckenschwimmen errungen.

Heute würde ich Hans Affolter nicht mehr derart vehement widersprechen. Erstens ist aus demographischen und volkswirtschaftlichen Gründen in den nächsten Jahren eine Erhöhung des Rentenalters wohl angezeigt, denn wir leben immer länger – das schüttelt unsere Rentensysteme.

Zweitens sind sehr viele fünfundsechzig Jährige noch motiviert und durchaus auch fähig, gute Leistungen zu erbringen. Ich jedenfalls freue mich, dass ich jetzt einige spannende Mandate bei diversen Firmen sowie Organisationen ausüben darf.

Drittens sehe ich viele pensionierte Alterskollegen, die mir nicht gerade glücklich erscheinen, wenn sie mir von ihren neuen Aufgaben als Verantwortliche für das häusliche Staubsaugen berichten (ich gebe zu, ich habe einen ziemlich intelligenten und fleissigen Roboter-Staubsauger).

Aber gleichzeitig wird auch in künftigen Reformen eine Erhöhung des Rentenalters kaum durchzubringen sein, wenn nicht die Arbeitgeber mit Mitarbeitern 50+ radikal anders umgehen. Zu oft höre ich, dass diesem und jenem Kollegen in der Industrie, in Banken und anderen Dienstleistungsunternehmen gekündigt wurde, weil er primär als teurer Kostenblock wahrgenommen wurde und durch eine jüngere Person ersetzt werden konnte.

Sorry, mit dieser Haltung schafft man nicht nur individuell grosse soziale Probleme und Notlagen sondern schafft auch die Basis für radikalere Forderungen wie die definitive und vollständige Abschaffung der Personenfreizügigkeit. Deshalb ist als Vorbedingung für eine mögliche Erhöhung des Rentenalters nun vorerst mal ein Umdenken bei den Arbeitsgebern angesagt.

Roaming als Zauberwort beim Chargen

Auf meinen Blog-Beitrag zum Elend des Chargens habe ich verschiedenste Reaktionen aus der Strombranche erhalten. Herzlichen Dank für die spannenden Erklärungen und ermutigenden Perspektiven, die da aufgezeigt wurden.

Daniel Stüssi von EKT hat in einem Blogbeitrag die neusten Entwicklungen skizziert und das sich mehr und mehr durchsetzende Roaming als Antwort auf die Kritik aufgezeigt. Besten Dank für die Präsentation dieses wichtigen Ansatzes:

https://www.linkedin.com/pulse/mit-dem-e-mobil-unbeschwert-reisen-daniel-stuessi

Das Elend mit dem Chargen

Natürlich bin ich glücklich, in meiner Garage über eine Ladestation zu verfügen und so die Batterie des BMW i3 jeweils für kürzere bis mittlere Distanzen – im Winter reicht es für 100 bis 150 km – aufladen zu können. Zwar funktionierte diese von BMW gelieferte und von Alpiq montierte Apparatur vorerst nicht und musste ausgewechselt werden, doch seit Mitte Februar kann ich damit zuverlässig laden.

Weit komplizierter ist es, meine Batterie an einer öffentlichen Ladestation aufzuladen. Erstens gibt es immer wieder Ladestationen, die von fetten Benzin-Autos als normale Parkplätze genutzt werden (kann man die eigentlich büssen?). Zweitens finde ich bei renommierten BMW-Garagen aus der noblen Emil Frey-Gruppe zwar die für E-Mobilität reservierten grünen Park-Felder, doch fehlt die eigentliche Ladeinfrastruktur.

 Freude bereiten mir demgegenüber einzelne kleinere und grössere Autogaragen von Renault und anderen Automarken, bei denen ich ohne bürokratische Formalitäten gratis die Batterie wieder auf einen Höchststand bringen kann. Grosse Schwierigkeiten habe ich demgegenüber mit einzelnen Elektrizitätswerken, welche zwar eine Ladestation installiert haben (wohl primär, um im Geschäftsbericht des EW ein schönes Foto zeigen zu können), doch gleichzeitig die Nutzung für den normalen E-Fahrer verunmöglichen, weil sie eine separate Card kreiert haben. Kopfschütteln löst dies für mich beispielsweise im Tourismuskanton Tessin aus, wo man für die Ladestationen des kantonalen Elektrizitätswerk AET eine spezielle Card braucht: hier wird in Einheimischenkategorien gedacht und nicht in den Dimensionen der vernetzten, kantonsübergreifenden Mobilität.  

 Im vergangenen Mai habe ich als BFE-Direktor letztmals eine „Landsgemeinde“ all jener Organisationen und Firmen eröffnet, welche in die Ladeinfrastruktur investieren wollten. Ich habe sie damals motiviert, nun diese Chargingstationen zu realisieren. Heute würde ich aufgrund meiner Nutzererfahrungen eine andere Rede halten: ich würde verlangen, dass sie sich zuerst auf eine gemeinsame Software, eine in der ganzen Schweiz gültige Card sowie ein einfaches Abrechnungssystem einigen, bevor sie einen Franken in die Hardware investieren.

 Denn heute sind verschiedenste Gruppen sowie Firmen wie move oder easy4you und andere mit je eigenen Konzepten auf dem Markt. Als Nutzer müsste ich bei all diesen angemeldet sein, teils eine jährliche Grundgebühr bezahlen und daneben hoffen, dass jene Stationen, die ich anwähle, dann auch funktionieren. Selbstverständlich haben diese Organisationen je ein Callcenter, doch sind die Leute sprachlich teils nicht bewandert (sprechen eher schlecht Deutsch), teils primär technisch orientiert und teils haben sie keinen direkten Zugang zu den einzelnen Ladestationen, weil irgendein ein EW dazwischen noch eine separate Einstellung vorgenommen hat, welche nur ihm den direkten Kontakt mit dem Kunden möglich macht.

 Höhepunkt meines diesbezüglichen Frustes war im Februar der Besuch einer Autobahnraststätte im schweizerischen Mittelland, die gemäss App über eine Schnellladestation verfügt  Ich ging zum entsprechenden schön designten Platz und merkte, dass ich ohne die spezielle Card dieser Organisation nicht einfach zu Strom kommen würde. Das Callcenter wies mich dann darauf hin, dass ich beim nahen Kiosk eine Card ausleihen könne. Am Kiosk wurde mir mitgeteilt, dass man grundsätzlich 10 Franken für die Nutzung der Card bezahlen müsse, unabhängig davon, wieviele Kilowattstunden man tanke. Zusätzlich müsse ich ein Pfand abgeben. Ich reichte also 100 Franken über den Tisch und sagte, dann seien die restlichen 90 Franken eben das Pfand. 

 Aber das wurde von der Verkäuferin nicht akzeptiert, weil die 10 Franken nicht etwa in die allgemeine Kioskkasse kommen, sondern in ein separates Couvert gesteckt werden, auf dem der Name des betreibenden EWs steht (des Sängers Höflichkeit gebietet es mir, den Namen nicht zu nennen). Wenn nun dort noch 90 Franken für mein Pfand reingesteckt würden, dann würde das die totale Verwirrung stiften. Ich entschloss mich in der Folge, meine Hausschlüssel als Pfand zu hinterlassen. Nachdem ich weitere zwei Telefonate mit dem Callcenter hinter mir hatte, weil einer der Stecker nicht richtig angeschlossen war, konnte ich dann endlich mit dem Schnellcharger starten…

 In Luxemburg hat der zuständige Energiedirektor Tom Eischen diesen Wildwuchs vorausgesehen und in seiner pragmatischen Art den Aufbau der E-Mobilität-Ladeinfrastruktur zu den Aufgaben des nationalen Stromnetzbetreibers erklärt. Da ist alles einheitlich, netzmässig klug aufgebaut und erst noch sehr kundenfreundlich, da gibt sich keiner der Illusion hin, mit diesen Säulen das grosse Geld machen zu können. Auch in der Schweiz ist noch niemand mit diesen Chargingstationen reich geworden und alle suchen noch ein Businessmodell, gemäss dem sich das Ganze je rechnen könnte.

 Ich habe grosse Sympathie für Andreas Burgener, den Direktor von autoschweiz, der vor einiger Zeit verlangte, dass der Bund beim Aufbau der öffentlichen E-Ladeinfrastruktur deutlich mehr Vorgaben machen sollte. Denn das heutige System der öffentlichen Ladestationen ist chaotisch entstanden, nicht strategisch ausgerichtet und total benutzerunfreundlich – so werden wir der E-mobilität in der Schweiz nicht zum Durchbruch verhelfen.

 

Meine Stromrechnung

 

Vor einigen Tagen hat mir die BKW die Jahresrechnung 2016 für meinen Strombezug zugestellt. Viele Elektrizitätswerke verschicken Rechnungen, die nicht mal die Fachleute verstehen, weil sie derart kryptisch verfasst sind. Ein grosses Bravo der BKW: Erstmals ist diese Rechnung übersichtlich und transparent dargestellt, ich kann präzise sehen, wofür ich wieviel Franken bezahle.

Und da sind doch einige bemerkenswerte Entwicklungen festzustellen:

Als wir uns 2002, nach der Abstimmungsniederlage des Elektrizitätsmarktgesetzes, an die Arbeit für einen neuen Gesetzesvorschlag machten, gingen wir davon aus, dass die Kosten für das Stromnetz und die Energie je etwa 45% der Faktura ausmachen und die letzten 10% für Steuern auf den verschiedenen Ebenen sowie für Abgaben berappt werden müssen.

Ganz anders im Jahre 2016: Auf meiner Rechnung macht der Teil Netz 58% der Gesamtrechnung aus. Dank des Stromversorgungsgesetzes sowie verschiedener für mich nicht immer verständlicher Gerichtsentscheide hat der Netzteil auf der Rechnung also deutlich zugenommen. Da ich ein Grünstrombezüger bin, macht die Energie immerhin noch 32,9% der Gesamtrechnung aus. Würde ich aber Graustrom beziehen, beliefen sich die Energiekosten auf nur gerade 25,3% und die Netzkosten stellten über 65% der Jahresrechnung dar.

Dies ist aus zwei Gründen spannend:

  1. Je grösser der Anteil der Netzkosten, desto geringer sind die Risiken der tiefen oder schwankenden Strommarktpreise für das einzelne Elektrizitätswerk. Mit einem guten Netzunterhalt sowie einem vernünftigen WACC sind wir Kleinkunden heute schöne Ertragsperlen für die EVUs.                                                     
  2. Wenn der eigentliche Strom nur noch 25-35% der Gesamtkosten ausmacht und die Kilowattstunde auch für gefangene Kunden irgendwo zwischen 7 und 12 Rappen kostet, dann fragt es sich, ob sich da ein intensiver Wettbewerb lohnen würde. Den Löwenanteil am Kuchen erhält der Netzbetreiber, die Wechsel-Kunden würden Aufwand verursachen und die Marketingkosten würden wohl in keinem vernünftigen Verhältnis zu den möglichen Gewinnen stehen.

Mein erstes Fazit: Eine vollständige Strommarktöffnung wäre für die EVU kein Megaproblem, wie es einige gerne darstellen. Die Wechselraten werden klein bleiben, die Netzkosten dominieren: Da bleibt man im Normalfall lieber beim bisherigen Versorger.

Mein zweites Fazit: Schaue ich die restlichen rund 8% der Kosten unter der Rubrik «Abgaben und Leistungen» an, dann dominiert dort nicht der böse Netzzuschlag zur Finanzierung der KEV. Nein, grösser als der Netzzuschlag von 1,3 Rappen war im 2016 in Ittigen die Abgabe an die Gemeinde in der Höhe von 1,5 Rappen. Aber darüber beklagt sich niemand, obwohl das zumindest teilweise als indirekte Steuer zur Speisung der Gemeindekasse angesehen werden kann.

Wenn jetzt der Abstimmungskampf zum ersten Paket der Energiestrategie 2050 beginnt, dann sollten sich die Bürger nicht durch geschickt inszenierte Horrorszenarien und -zahlen  erschrecken lassen, sondern in aller Ruhe einmal ihre letzte Stromrechnung studieren und überlegen, welchen Anteil die Stromrechnung an den gesamten Haushaltausgaben ausmacht. Für mich jedenfalls ist die BKW-Jahresrechnung für meinen (grünen) Stromkonsum deutlich tiefer als die Monatsprämie der Krankenkasse, obwohl ich nur allgemein versichert bin. 

Ach ja, und zum Schluss noch dies: Anstatt uns über einige wenige Franken mehr für den Netzzuschlag* zu enervieren, sollten wir uns bewusst sein, dass die meisten von uns primär an einer hohen Versorgungsicherheit interessiert sind. Abende bei Kerzenlicht sind zwar romantisch, aber wenn es nach einem Stromausfall kalt und kälter würde und der Kochherd nicht mehr funktionierte, dann wäre wohl nicht nur ich bereit, subito massiv mehr für eine sichere Stromversorgung  zu bezahlen…

 

*In habe einen Stromverbrauch von 906 Kilowattstunden im Jahr. Dafür habe ich 2016 knapp 12 Franken für den Netzzuschlag bezahlt (1,3 Rp./kWh), dieses Jahr werden es 13,60 Franken sein (1,5 Rp./kWh) und mit dem neuen Netzzuschlag gemäss Energiestrategie 2050 (2,3 Rp./kWh) zahle ich ab 2018 knapp 21 Franken pro Jahr, also 7 Franken mehr als 2017.

 

Experiment Orvin

Vor drei Wochen habe ich meinen BMW i3 in Dielsdorf abholen können. Nach einer attraktiven Präsentation, einigen Instruktionen sowie einer kurzen Probefahrt wurde er mir übergeben und ich fuhr zurück nach Ittigen. Beim Eintreffen zuhause hatte ich noch eine Reserve von etwa 18 Kilometern, mit der ich noch locker zur nächsten grösseren Ladestation gekommen wäre. Nach dem Aufladen der Batterie lag die Reichweite wieder bei stolzen 176 km und ich war überzeugt, dass dies doch viele Freiräume ergäbe. 

Deshalb war es für mich völlig klar, dass meine neue Wundermaschine jetzt ihren ersten Test zu bestehen hätte. Und zwar beim Schneeschuhwandern mit Freunden im knapp 50 km entfernten bernjurassischen Prés d’Orvin. Wir packten Kleider, Schneeschuhe und Material in den Kofferraum und fuhren durch den bernischen Nebel an die Sonne ins Gebiet von Près d’Orvin. Beim Öffnen der Türe meinte der Besitzer des nebenstehenden Autos: Aha, eine Auto ohne Auspuff, das ist ein Bekenntnis zur Zukunft.

Angespornt durch diese motivierenden Worte brachen wir leichten Schrittes auf zu einer längeren bergauf Schneeschuh-Wanderung und einer gemütlichen Rast in einer Métairie. Lange vor Sonnenuntergang kehrten wir zum Parkplatz zurück. Beim Anlassen des Motors stellte ich fest, dass der Batteriespeicher eine rund 25 km geringere Reichweite signalisierte als beim Aussteigen am Morgen. Doch schien mir die Reserve für die Rückfahrt durchaus genügend. Natürlich mussten wir noch das Brot des Bäckers von Orvin kaufen (das Beste westlich von Moskau), was sicher etwas Energie kostete, dann fuhren wir über die Autobahn Richtung Bern. Kurz nach Biel wurde mir bewusst, dass es trotz inzwischen eingeschaltetem Eco-Driving knapp werden könnte, denn wegen der tiefen Temperaturen musste immer wieder die Klimaanlage eingestellt werden, auf dass sich die Fenster nicht beschlugen. 

Ich fuhr also immer sanfter und versuchte, nur noch sehr vorsichtig zu beschleunigen. Doch die Batterie zeigte weiterhin eine rasche Abnahme und so standen wir beim Felsenau-Tunnel vor der Frage, ob wir die Freunde noch in ihre Wohnung in der Stadt oder zu meiner Ladestation im häuslichen Keller fahren sollten. Beides zusammen war nicht mehr möglich. Wir schafften es ganz knapp in meine Garage: Die Batterie zeigte an, dass wir gerade noch einen Kilometer hätten fahren können. Meine Freunde mussten dann den Nachhauseweg mit dem öV Richtung Bern antreten. Ich habe ihnen am Folgetag eine gute Flasche Wein gebracht und mich entschuldigt, dass derartige Experimente eben immer auch Grenzen aufzeigen sollen – die ich leider leicht überschritten hatte…

 Und was ich mich als einfacher Nutzer bei diesem Orvin-Experiment gefragt habe: Ist bei einer Anzeige „Batterie = 0 km“ auch wirklich Schluss? Was ist zu tun, wenn man abseits einer Ladestation zu diesem Punkt kommt? Gibt es bereits einen Pannendienst mit mobilen Schnellchargern?