Welches sind die Worldleader einer neuen Energiepolitik?

In den vergangenen vier Wochen konnte ich die internationale Energieluft ziemlich ausgiebig schnuppern. Ich war zu einem Future Energy Forum an der Expo Astana eingeladen, an dem wir uns über die Treiber dieses Changes aber auch über die wichtigsten Herausforderungen unterhielten. Denn die Expo will ein Schlussmanifesto machen, welches internationale und nationale Adressaten hat: wie soll die zukünftige Energiepolitik designt werden, um ökologisch und ökonomisch Sinn zu machen. Zudem nahm ich an den Swiss US Energy Innovation Days SUEID teil und konnte mich über die neusten Trends in den USA informieren.

Russland: mit Nuklear das fossile Zeitalter verlängern

In Astana diskutierten wir auf der Konferenz aber auch beim Besuch der einzelnen Länderpavillons intensiv, welche Nationen den Change wirklich tragen und prägen. Die beiden bisher führenden Weltmächte präsentieren sich dort ziemlich schräg. Im Zentrum des russischen Pavillons ist ein wohl vier Meter grosser Eiswürfel frisch aus der Arktis zu sehen, welcher die zentrale Botschaft verbreitet: dank atombetriebenen Eisbrechern werden wir in den nächsten Jahrzehnten auch die letzten Ölreserven in der Arktis heben – the future is fossil and nuclear.

Amerika: zu kurzfristig profitorientiert

Der US-Pavillon ist zwar schön gemacht, doch werden keine Botschaften vermittelt oder spannende Experimente gezeigt. Vielmehr wird man permanent darauf hingewiesen, dass man ja nichts fotografieren darf (in den anderen Länderpavillons wird man zum Selfie- und Fotomachen beinahe animiert). Auch die SUEID haben mir klargemacht, dass man nicht nur wegen der Regierung Trump die USA in den nächsten Jahren nicht auf eine Leadrolle setzen kann. Zwar werden im Silicon Valley sowie an den Top-Universitäten neue Technologien entwickelt, aber unklar ist, was dann wirklich umgesetzt wird. Zudem ist die amerikanische Mentalität der kurzfristigen Profitmaximierung kaum dazu geeignet, längerfristige Veränderungen einzuleiten und umzusetzen. Da schüttelten nicht nur die EMPA-Gebäudecracks beim Besuch des Empire State Buildings den Kopf, als uns aufgezeigt wurde, wie wenig bei einem jetzt bald neunzigjährigen Gebäude nun wirklich in den Retrofit investiert wird. Auch sind die Energieinfrastrukturen in einem äusserst schlechten Zustand: da wird zu wenig investiert, um wirklich auch langfristig erstklassig zu sein. Privater Reichtum einer kleinen gierigen Oberschicht gekoppelt mit immer grösseren Anteilen von Verlierern des sozialen Wandels schaffen nicht die Kraft, welche für eine Leadrolle bei der Bewältigung des Wandels der Energiesysteme nötig wäre.

China auf der Überholspur

Nicht nur bei den Länderpavillons an der Expo Astana zeigt sich China von der besten Seite. Ebenso sind die Erfolge ihrer Politik beeindruckend: China hat bei Photovoltaik sowie Windenergie wesentlich dazu beigetragen, dass diese Technologien massentauglich und eben auch sehr kostengünstig werden. Auch die neusten chinesischen Entscheide für die Einführung einer E-mobilitätsquote für die einzelnen Autohersteller wird mithelfen, dass sich auch die zögerlichsten (deutschen) Produzenten nun ernsthaft mit dieser Technologie befassen müssen.

Schweizer Energiepolitik augenzwinkernd präsentiert

Daneben bringen grössere und kleinere Länder ihre wichtigen sowie innovativen Beiträge für den Umbau der Energieszene, dies zeigen auch verschiedenste Länderpavillons an der Expo in Astana. Der Schweizer Pavillon zählt dabei nicht zu unrecht zu den attraktivsten, vor dem sich lange Warteschlangen bilden. Witzig und mit recht viel Humor wird unsere Energiepolitik präsentiert: da sitzt man am Tisch einer nachgebildeten Monterosa-Hütte und lässt sich mit Blick aufs Matterhorn die Energieautarkie dieses Gebäudes erklären. Da wird in einer zweiten Hütte in einem didaktisch erstklassigen Sketch energieeffizient (Dölf Ogi grüsst von Ferne) eine Rösti hergestellt, die man testen darf. Da zeigt Swissnex neuste Technologien im Praxiseinsatz: so konnten beispielsweise die Besucher in kleinen Gruppen Solarlampen basteln und erhielten damit einen Einblick in diese für sie neue Technologie. So wird unsere Energiepolitik für die Bevölkerung eines Landes wie Kasachstan verständlich. Eine Bevölkerung, die sich bisher wohl nicht mit den beiden wichtigsten Pfeilern der Energiestrategie 2050, Energieeffizienz und Erneuerbare, befasst hat.
Erscheint bei Energate Messenger am 25. August 2017

Der dritte Tag: welche Energiezukunft?

Ein Blick in die Zukunft wurde am Schlusstag geboten. Sieben start-ups präsentierten ihre Ideen, Services und Produkte. Ein Teil dieser Projekte ist softwarefocussiert, ein schöner Teil ist aber auch mit neuen Produktionstechnologien im Bereich Solar gekoppelt, während andere Projekte Effizienzsteigerungen ermöglichen und den (Warm-)Wasserverbrauch reduzieren helfen. Sieben intelligente Ansätze für eine nachhaltige Energiezukunft, die sich hoffentlich auf dem Markt durchsetzen.

Spannend gestaltete sich auch die Diskussion der Vertreter von US- und Schweizer- Thinktanks sowie Behörden zur Energiezukunft. Einig war man sich, dass die Abhängigkeit von Öl rasch reduziert werden muss. Anne Korin stellte ihren Handlungsansatz „turning oil into salt“ vor, welcher davon ausgeht, dass ein langwährendes Quasimonopol von Salz bei der Konservierung von Lebensmitteln aufgeweicht werden konnte, indem andere Technologien und Produkte entwickelt wurden. Sie schlug vor, die strategische Bedeutung von Öl mit dem erreichten Quasimonopol in der Mobilität zu reduzieren, indem vermehrt das in den USA über Fracking im Überfluss reichlich vorhandene Gas als Treibstoff verwendet wird und jedes neue Auto mit einem Multi-fuel-Antrieb auszurüsten ist. Sie verspricht sich dadurch gleichzeitig auch eine Reduktion der CO2-Emissionen aber auch der Terrorismusgefahr etc..

Steven Cohen von der Columbia University präsentierte eine positive Zahl aus den USA: alleine im vergangenen Jahr sind über 300’000 neue Jobs im Energiesektor geschaffen worden, grossteils im Bereich Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Er hält dafür, dass Regierung und Politik den Change beschleunigen sollen, indem sie verstärkt in Forschung investieren, Erneuerbaren förderliche Regulierungen in Kraft setzen und insbesondere auch mit steuerlichen Erleichterungen Energieeffizienz und Erneuerbare vorantreiben. Daneben muss über Regulierung versucht werden, den neuen Technologien einen Zugang zu günstigem Kapital zu verschaffen. Wenn nun – wie in den USA – die nationale Ebene diese Entwicklungen nicht mehr fördert, ist das Engagement der einzelnen Bundesstaaten, Kommunen, Spitäler, Universitäten aber auch der privaten Firmen umso wichtiger.

Die Schweizer Vertreter präsentierten die Internalisierung von externen Effekten über eine CO2-Abgabe mit ihrem Übergang zu differenzierten Lenkungssteuern aber auch die Energiestrategie 2050 sowie ein neues Marktdesign als wichtige Elemente eines marktnahen Umbaus unserer Energiesysteme.

Interessant waren auch die Einschätzungen zur Zukunft der Trump-Regierung: Es herrscht ein eigentlicher Krieg zwischen Präsident und Kongress, Trump versteht das politische System nicht wirklich und in der Administration sind viele Stellen noch nicht besetzt, weil wohl nicht einmal Trump mit einem Sieg gerechnet hat und sich entsprechend auch keine Gedanken gemacht hatte, mit wem diese Stellen zu besetzen wären. Die Schlussworte der US-Teilnehmer machten deutlich, was nun Priorität hat: die Energiewende wird mit grosser Kraft in den Städten vorangetrieben und auf nationaler Ebene heisst es „participate in political processes – advocate, advocate, advocate“.

Von meinem iPad gesendet

Der zweite Tag: Der Blockchain-Tag

Es gibt Ereignisse, welche zu Bruchstellen in Politik und Gesellschaft werden. Bei uns in der Schweiz war es in der Energiepolitik Fukushima, hier in New York hatte der Hurrikan Sandy 2012 eine ähnliche Triebkraft: Brooklyn und Teile Manhattans wurden überflutet, die veraltete Energieinfrastruktur versagte und Hunderttausende waren während Tagen sowie teils Wochen ohne Strom. Neben dem Wiederaufbau eines grossen Kraftwerks durch ABB kamen neue Initiativen auf. In Brooklyn begann eine Community die Stromversorgung in die eigenen Hände zu nehmen, auf Lagerhäusern und Fabrikgebäuden wurden PV-Anlagen und Windturbinen installiert sowie im Crowd-Funding finanziert.
Unsere Delegation besuchte diese Community und liess sich dabei vom start-up LO3 das virtuelle Brooklyn Microgrid sowie ihren Blockchain-Ansatz vorstellen: Die Verbindung zwischen Nachfragern und Produzenten wird durch ein superintelligentes IT-System sichergestellt, welches die Bedürfnisse, Präferenzen und Preisvorstellungen ausgleicht und die Vollversorgung automatisch sicherstellt. Pumpen, Klimaanlagen und Motoren als wesentliche Energieverbraucher in einer städtischen Umgebung werden automatisch optimal unter Berücksichtigung der lokalen Strompreise, der Temperaturen etc. betrieben.

Wie Schuppen fiel es uns dann von den Augen: wenn sich dies bewährt, gibt es ähnlich Uber im Mobilitätssektor oder Airbnb im Übernachtungsgewerbe auch im Stromsektor schon bald eine Revolution. Die Aufgaben der traditionellen EVUs beschränken sich vielleicht nur noch auf Pflege und Unterhalt eines intelligenten Stromnetzes. Die Schweizer Vertreter waren sich aber einig, wegen der nur halbherzigen Liberalisierung dürfte es in der Schweiz noch einige Jahre (aber vermutlich nicht Jahrzehnte) gehen, bis sich diese technische Revolution mit den neuen Konzepten durchsetzen.

Kurt Lüscher stellte dann in seinem Referat dar, welche weiteren Stärken künftig erfolgreiche Utilities haben müssen. Er provozierte auch mit der Aussage, dass das künftige EVU vor allem eine ICT-Company sein müsse und meinte, dass nun der Change rasch angehen muss, wer langfristig erfolgreich sein will. Ein Speaker meinte gar, dass viele Utilities heute den „dead stars“ gleichen: sie leuchten noch, aber sie strahlen nicht mehr lange aus eigener Kraft.

Nach einem interessanten Panel zu smart buildings besuchten wir das Empire State Building, das 1930 innert 1 Jahres und 45 Tagen gebaut wurde und seit 2007 umfassend saniert wird. Wir lernten die typisch amerikanische Denkweise kennen, dass dabei nur umgesetzt wird, was sich innert kurzer Zeit finanziell rentiert. Es wurden beim Empire State Building nur Investitionen getätigt, die eine pay-back-Zeit von weniger als 3,1 Jahren haben – trotzdem konnte der Energieverbrauch dank einem Retrofit der Fenster, dem Anbringen von Isolationsmaterialien hinter den Radiatoren sowie einem Energiemanagementsystem um beinahe 40% reduziert werden. Die uns den Case präsentierende Ingenieurin meinte leicht selbstkritisch, in Europa hätte man wohl dank klarer Gesetzgebungen bei einem derartigen Gebäude noch weit höhere Einsparungen erzielen können. Aber alleine mit dem für das Empire State Building gewählten Ansatz liesse sich in New York 25% der Gesamtenergie einsparen: hier sind denn auch 20% der Gebäude (all diese Wolkenkratzer) für 80% des Energiekonsums im Gebäudesektor verantwortlich – ja und die Winter sind hier garstiger sowie die Sommer drückend heisser als bei uns……

Start der Swiss US Energy Innovation Days: The Eclipse Day

Am Montag startete der offizielle Teil der vierten Swiss US Energy Innovation Days, welche seit 2014 jährlich vom BFE in Zusammenarbeit mit Swissnex organisiert werden. Diesmal wurde als Durchführungsort New York ausgewählt, wo am Montag gegen hundert Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft und von den Regulierungsbehörden beider Länder den Dialog starteten.

Vorerst stellten Verantwortliche der New York Power Authority sowie der Port Authority ihre Energiekonzepte und -programme vor. Eindrücklich wurde aufgezeigt, dass die Behörden zwar seit Beginn vor über humdert Jahren Daten sammelten, doch diese nur gerade für das Billing, das Rechnungsstellen nutzten. Nun werden diese Daten zu Wissen, die Datenberge zu eigentlichen Schätzen, welche dank Digitalisierung mithelfen, massgeschneiderte Dienstleistungen für den Kunden zu erbringen aber auch die Maschinen sowie Netze besser zu steuern. So können leicht Kosten gesenkt und Serviceverbesserungen erreicht werden, ohne dass Investitionen in die Hardware gemacht werden müssen.

Cloud oder fog?

Unter dem Titel „The risk cloud“ diskutierten in der Folge Vertreter der Finanzindustrie, von Ingenieurbüros sowie Energiefirmen aus den USA und der Schweiz die wesentlichen technischen, ökonomischen und regulatorischen Risiken. Das Eingehen von Risiken ist immer auch eine Frage des Preises, den man dafür erhält und der sich bietenden Alternativen. Klar kam zum Ausdruck, dass die Einführung neuer Technologien in der Startphase mit recht hohen Risiken verbunden ist, ansonsten war man sich einig, dass Versorgungssicherheit einen Preis haben muss und gute langfristig orientierte Regulierung zu adäquaten Investitionen führen wird. Wie das neue Businessmodell aussehen kann, dazu ist noch vieles nicht in der Cloud zu sehen sondern da stochert man noch im Nebel und testet einzelne neue Konzepte.

Die nächste Panel-Diskussion war der „Business Cloud“ gewidmet und brachte Vertreter der Regulierung sowie von Unternehmen zusammen. Bezeichnend der Ausdruck, dass das reine Denken in Kilowattstunden vorüber ist, wenn man Gewinne erzielen will. Die Konsumenten wünschen Transparenz und haben individuelle Wünsche, die von den EVUs möglichst umfassend erfüllt werden müssen. Neue Marktplayer aus anderen Branchen und Digitalisierung bringen dabei den Wettbewerb voran, eigene neue Angebote und permanentes Redesign sind nötig, wenn die traditionellen EVUs überleben wollen.

Vom Gebäude zum Quartier

Die Diskussion zur „Building Cloud“ brachte Architekten, Ingenieure und Gebäudetechniker zusammen. In den USA wie in der Schweiz setzt man auf Regulierung und Standards, um den Energieverbrauch in diesem Bereich in Griff zu bekommen. Der Begriff „Passivhaus“ ist in den USA angekommen, zudem wird in beiden Ländern klar, dass man in der Zeit des verdichteten Bauens und Wohnens nicht mehr nur das einzelne Gebäude sondern das Quartier im Focus haben sollte. Denn auf diesem Level lassen sich dann auch einzelne Abwärmequellen wie Datacenters profitabel zur Wärmeversorgung im Quartier nutzen. Neben Energieeffizienz beim Bau sind immer mehr auch Inspektionen während der Betriebsphase relevant, weil umfassende Datenerhebung Kostenoptimierungen für den Nutzer sowie Verlängerungen der Lebensdauer von Anlagen und Systemen ermöglichen.

Im Expertengespräch zur „Grid and Storage Cloud“ verlangten Vertreter der Wissenschaft, Finanzwirtschaft, smart-grid-Supportern und ABB einhellig von der Politik Visionen, Masterpläne sowie kluge Umsetzungsprogramme. Nötig ist ein neues Marktdesign, welches die Fluktuation aufnimmt und Flexibilität bepreist. Von der Politik wie den Unternehmensführungen wird Leadership sowie Accountability erwartet, damit im aktuellen Change die langfristige Versorgungssicherheit wie auch die Berücksichtigung der Kundenwünsche garantiert sind.

Und dann wurde diesem speziellen ersten Konferenztag Rechnung getragen: Gemeinsam wurde mit von Swissnex gelieferten Sonnenbrillen die Eclipse – Sonnenfinsternis betrachtet und festgestellt, dass über New York wie auch in der Energieszene beider Länder die Zukunft nicht finster ist sondern durchaus mit Licht und attraktiven Sichten sowie spannenden Opportunitäten ausgestattet ist.

Fachhochschulen: Aufbruch zu neuen Ufern?

Als Mitglied des Beirates Technik und Architektur der Hochschule Luzern HSLU durfte ich vor kurzem an der Diplomfeier dieses Departements teilnehmen. 412 Absolventen erhielten einen Bachelor- oder Masterausweis, 54 davon als Gebäudetechniker, 8 in Energy Systems Engineering und 44 in Elektrotechnik. Es war eine fröhliche und beschwingte Feier, an der mir einige Dinge positiv aufgefallen sind.

Noch immer ist die Fachhochschule eine der besten „Integrationsmaschinen“. Über diesen Weg gelingt nicht wenigen Secondos der Aufstieg in unserer Gesellschaft.

Einige Absolventen erhielten einen Doppel-Degree-Abschluss, also einen Ausweis sowohl von ihrer Mutterschule HSLU als auch von ihrer Austauschschule, beispielsweise in Shanghai, an der sie ein Jahr lang gelernt hatten.

Die Diplomarbeiten machten deutlich, wie nahe die Fachhochschulen glücklicherweise noch immer an der Praxis sind. Gleichzeitig zeigen sich auch erste positive Resultate der vermehrten Kooperation mit der EMPA sowie mit den anderen technischen Hochschulen. Die Swiss Competence Centers in Energy Research SCCER tragen wesentlich zu dieser fruchtbaren Zusammenarbeit bei.

Mehr als Mittelmass gewünscht?

Seit ihrer Schaffung im Jahr 1995 haben sich die Fachhochschulen zu einem wichtigen Pfeiler der Schweizer Bildungs- und Innovationslandschaft entwickelt. Sie sind in den Regionen breit abgestützt und gut verankert. Teils sind aber auch Strukturen entstanden, die gleichzeitig leicht bürokratisch und ziemlich stark zementierend wirken. Ursprünglich sollten ja nicht alle Fachhochschulen dieselben Studien-Angebote haben, weil man fürchtete, dass sie ansonsten wegen der fehlenden kritischen Grösse nicht mehr als Mittelmass produzieren könnten. Die einst angedachte Konzentration der Fachhochschulen auf einzelne Schwerpunkte in Lehre sowie Forschung hat aber nie stattgefunden. Der Bund hatte nicht den Mut zu einer gestaltenden Steuerung der Fachhochschullandschaft, weil er die Kritik der gebündelten mächtigen Kantonsgruppen fürchtete. So beschränkte sich der Bund darauf, die einzelnen Fachhochschulen permanent mit genügend – und immer mehr – Geld auszustatten und nur gerade die Prozesse zu definieren, wie neue Studiengänge zu entwickeln sind. So werden denn wohl erst die demographisch begründeten kleineren Studentenjahrgänge die Schulen zwingen, ihre Angebote zu fokussieren.

Vernetzte Ansätze nötig

Es ist an den einzelnen Fachhochschulen, sich jetzt auf neue Schwerpunktthemen auszurichten und daneben ihr bisheriges Angebot weiter zu pflegen. An der Hochschule Luzern ist dieser Aufbruch zu neuen Ufern breit und pfiffig angelegt: Die Departemente wurden eingeladen, gemeinsam interdisziplinäre Projekte einzureichen, welche Inputs der Disziplinen Technik, Wirtschaft, Informatik, Soziales, Kunst und Musik aufnehmen und zu innovativen neuen Themenstellungen bündeln. Die ersten Auswahlrunden sind – auch mit Blick auf die Energiethemen – durchaus spannend verlaufen. Sie versprechen, dass ausserhalb der bisherigen Gärtchen Neues entwickelt und realisiert wird. In einer mehr und mehr vernetzten Welt müssen auch die neuen Studien- und Forschungsangebote der Fachhochschulen Interdisziplinarität wagen, leben und umsetzen.

 

Erschienen in Energate Messenger 28. Juli 2017

Der Grossteil der neuen Elektro-Lade-Stationen schon bald in ausländischen Händen?

Seit Januar 2017 bin ich beim Projekt Green Class von SBB, BMW, Mobility und PubliBike dabei. Dieses umfassende Abo ermöglicht mir, meine Gewohnheiten zu reflektieren und mein Mobilitätsverhalten zu testen. So stehe ich beispielsweise vor jeder Reise vor der Wahl, ob ich nun den öffentlichen Verkehr oder den BMW i3 in meiner Garage nutzen soll. An einem Sonntag im Juni haben sich die rund 140 Green-Class-Mobilitätspioniere zum gemütlichen Austausch getroffen und miteinander gefachsimpelt, Tips ausgetauscht und sich informieren lassen, dass das Projekt um ein Jahr verlängert wird.

Ein spannendes Thema waren die Erfahrungen mit dem Auftanken unserer Elektro-Fahrzeuge. Eine leider immer noch problembeladene Geschichte. Zwei Beispiele:

Zwar habe ich inzwischen die Karten von drei verschiedenen schweizerischen Elektro-Charging-Gruppen, doch musste ich bei meiner ersten Fahrt in der Innerschweiz feststellen, dass CKW ein eigenes System hat, das noch nicht mit Move oder SwissCharge verbunden ist. Dafür ist dort der Preis recht teuer: Unabhängig vom tatsächlich getankten Strom bezahlt man 7 Franken, was doch ein recht stolzer Betrag ist

Ich war mit meinem Bruder in Fully (ja, bei der Winzerin Marie-Thérèse Chappaz) und freute mich auf das Gratisaufladen bei der gemeindeeigenen Station. Doch irgendwas funktionierte nicht und so telefonierte ich nachmittags um 14.45 Uhr der angegebenen Nexans-Hot-Line. Man beschied mir, die Fachleute würden mich sofort zurückrufen und das Problem beheben. Der Rückruf erfolgte am nächsten Morgen um 10.15 Uhr.

Um es relativ provokativ zu formulieren: Aktuell sonnen sich Elektrizitätswerke und Gemeindepräsidenten noch mit tollen Fotos von der Inbetriebnahme neuer Ladestationen zusammen mit Regierungsräten und wichtigen Politikern. Dass das gesamte Lade-System aber vor allem kompatibel, kunden- und servicefreundlich sowie effizient sein sollte, wird noch nicht erkannt. So stellt jedes Elektrizitätswerk möglichst andere Typen von Ladestationen auf, mit einer ganz normalen Kreditkarte kann man noch fast nirgends bezahlen, der Service bei technischen Problemen lässt zu wünschen übrig, um nur einige Punkte zu nennen.

Doch Wandel ist angesagt und kommt rascher als sich viele vorstellen: Im kommenden Jahr wird das ASTRA eine grosse Zahl von Lade-Stationen entlang der Autobahnen international ausschreiben. Ich weiss, dass sich da verschiedenste internationale Gruppierungen unter Führung beispielsweise der Niederlande bewerben werden. Das dürfte dann die einheimischen Bewerber aufrütteln und bei heimatschwangeren Politikern zur Forderung führen, dass diese neue Infrastruktur doch nicht in ausländische Hände kommen dürfe. Sorry, aber wenn wie bisher derart unkoordiniert gehandelt wird, dann kann etwas Druck von aussen nicht schaden, damit sich das System so entwickelt, wie wir Kunden uns dies wünschen. 

30. Juni 2017 – erschienen im Energate Messenger

 

 

Restrukturierung oder Subventionierung?

Es ist noch keine zehn Jahre her, da erhob sich der Vertreter eines kantonalen Elektrizitätswerkes an der Generalversammlung der AXPO und beklagte sich, dass sie mit der ohne rechtzeitige Vorankündigung in Aussicht gestellten doppelten Dividende nichts anzufangen wüssten und darum das Geld am Ende gar dem Eigentümer-Kanton abliefern müssten. Es ist noch keine zehn Jahre her, da rief der damalige Finanzchef der ATEL seine Geschäftsleitungskollegen auf, ihm konkrete und rasch realisierbare Investitionsprojekte zu unterbreiten, sonst müsse er den Aktionären eine gar hohe Dividende auszahlen. Tief unten in den Schubladen fand sich dann ein Projekt namens Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance, das nun in Bälde fertiggestellt sein wird und während langer Zeit wohl nicht rentiert.

Die Zeiten haben sich radikal geändert. Kaum haben sich die Schweizer Stimmbürger/innen am 21. Mai für das neue Energiegesetz und damit auch für befristete Subventionen für die Wasserkraft ausgesprochen, rufen die beiden A (Axpo und Alpiq) bereits nach noch grösseren staatlichen Beihilfen. Und ein Regierungsrat malt in seiner Regionalzeitung gar das düstere Bild eines möglichen Konkurses von AXPO an die Wand, wenn nicht bald zusätzliche Subventionen für die Wasserkraft fliessen würden.

Aber halt: Gleichzeitig haben die im Besitz derselben Kantone stehenden kantonalen Elektrizitätswerke im letzten Geschäftsjahr schöne Gewinne geschrieben: Betriebsergebnis EKZ 70,5 Mio Fr., Bilanzgewinn AEW 49,0 Mio Fr., etc., sie alle sind Aktionäre der notleidenden Axpo. Ähnlich präsentiert sich die Lage bei den Alpiq-Aktionären EBM, EBL sowie den Westschweizer Elektrizitätswerken. Sie alle konnten gute Ergebnisse melden. Weiterhin investieren einzelne dieser Kantons- und Regionalwerke flott in ausländische Windparks sowie PV-Grossanlagen und beteiligen sich auch an eher zweifelhaften Investitionen in der Schweiz mit der alten Begründung, dass sie mit dem verdienten Geld sonst nichts anzufangen wüssten. Zudem liefern sie sich einen erbitterten Preis-Kampf um jedes Fernwärme- sowie Contractingprojekt in allen Regionen der Schweiz, deren Verluste bereits vorauszusehen sind.

Sorry, und da sollen die Konsumentinnen und Konsumenten zu weiteren Unterstützungen für die Wasserkraft Schweiz Ja sagen? Wir alle wissen, dass es dabei wohl weniger um das Überleben der Wasserkraft denn um die Weiterexistenz von Firmen geht, in denen teils das Management den Aktionären sagt, was zu tun ist.

Erinnert sei, dass die Kantone der Nordostschweiz 1914 die Elektrifizierung der Region mit der Gründung der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK), der heutigen Axpo Gruppe, sicherstellen wollten. In der Westschweiz schlossen sich 1919 die regionalen Elektrizitätsunternehmen zur Energie de l’Ouest-Suisse (EOS), der heutigen Alpiq, zusammen. Gemeinsam konnten sie die Risiken und Kosten des Baus grösserer Wasserkraftwerke sowie später der Kernkraftwerke stemmen. Das war der Beginn der Partnerwerke. In der jetzigen Zeit des Umbruchs in der Energiewirtschaft sind die staatlichen Besitzer aufgerufen, ihre Verantwortung als Eigentümer wahrzunehmen. Sie sind es, die nun eine Neustrukturierung aus einer übergeordneten Perspektive und nicht aufgrund der Individualinteressen der einzelnen Werke angehen müssen.

Was die Uhrenindustrie in den Achtzigerjahren unter Schmerzen tun musste, ist nun auch im Stromsektor unumgänglich: Ein radikaler Abbau von Doppelspurigkeiten, eine Fokussierung auf relevante Geschäftsbereiche und eine vertikale Integration. Heute gibt es im Strom- wie im Gassektor Werke auf kommunaler, kantonaler und interkantonaler Ebene: Ich behaupte, mindestens eine Ebene ist überflüssig und sollte baldmöglichst eliminiert werden.

Ob die Eigentümer, die Regierungen vieler Kantone und einzelner Städte den Mut dazu haben? Ich hoffe es….

PS: Vorgängig müsste einigen Politikern der Unterschied von fixen und variablen Kosten in einer Weiterbildungsoffensive vermittelt werden: Auch in anderen Branchen sind die Unternehmen froh, wenn in schlechten Zeiten zumindest die variablen Kosten gedeckt sind. Aber bei staatlichen Unternehmen (die sich vor allem ja bezüglich Salären als private verstehen) müssen permanent die Vollkosten und noch einige unnötige Overheadkosten gedeckt sein, damit die staatlichen Eigentümer sich ihrer Einkünfte aus den Dividenden sicher sind.

 

Der Text erschien im Energate Messenger vom 26. Mai 2017

Architekt oder Teamleader?

Im Anschluss an eine Diskussion bei der BKW habe ich einige Fragen für den Blog beantwortet. Der Begriff Architekt ist für mich stark mit Starkult verbunden und trifft deshalb für einen Bundesamtsdirektor nicht zu. Diese haben die Aufgabe, als Teamleader mit ihren Mitarbeitenden konsensfähige Vorlagen für Bundesrat sowie Parlament zu erarbeiten. Hier meine Antworten zu den einzelnen Fragen:

Zu Mittag mit dem «Architekten» der Energiestrategie 2050