Restrukturierung oder Subventionierung?

Es ist noch keine zehn Jahre her, da erhob sich der Vertreter eines kantonalen Elektrizitätswerkes an der Generalversammlung der AXPO und beklagte sich, dass sie mit der ohne rechtzeitige Vorankündigung in Aussicht gestellten doppelten Dividende nichts anzufangen wüssten und darum das Geld am Ende gar dem Eigentümer-Kanton abliefern müssten. Es ist noch keine zehn Jahre her, da rief der damalige Finanzchef der ATEL seine Geschäftsleitungskollegen auf, ihm konkrete und rasch realisierbare Investitionsprojekte zu unterbreiten, sonst müsse er den Aktionären eine gar hohe Dividende auszahlen. Tief unten in den Schubladen fand sich dann ein Projekt namens Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance, das nun in Bälde fertiggestellt sein wird und während langer Zeit wohl nicht rentiert.

Die Zeiten haben sich radikal geändert. Kaum haben sich die Schweizer Stimmbürger/innen am 21. Mai für das neue Energiegesetz und damit auch für befristete Subventionen für die Wasserkraft ausgesprochen, rufen die beiden A (Axpo und Alpiq) bereits nach noch grösseren staatlichen Beihilfen. Und ein Regierungsrat malt in seiner Regionalzeitung gar das düstere Bild eines möglichen Konkurses von AXPO an die Wand, wenn nicht bald zusätzliche Subventionen für die Wasserkraft fliessen würden.

Aber halt: Gleichzeitig haben die im Besitz derselben Kantone stehenden kantonalen Elektrizitätswerke im letzten Geschäftsjahr schöne Gewinne geschrieben: Betriebsergebnis EKZ 70,5 Mio Fr., Bilanzgewinn AEW 49,0 Mio Fr., etc., sie alle sind Aktionäre der notleidenden Axpo. Ähnlich präsentiert sich die Lage bei den Alpiq-Aktionären EBM, EBL sowie den Westschweizer Elektrizitätswerken. Sie alle konnten gute Ergebnisse melden. Weiterhin investieren einzelne dieser Kantons- und Regionalwerke flott in ausländische Windparks sowie PV-Grossanlagen und beteiligen sich auch an eher zweifelhaften Investitionen in der Schweiz mit der alten Begründung, dass sie mit dem verdienten Geld sonst nichts anzufangen wüssten. Zudem liefern sie sich einen erbitterten Preis-Kampf um jedes Fernwärme- sowie Contractingprojekt in allen Regionen der Schweiz, deren Verluste bereits vorauszusehen sind.

Sorry, und da sollen die Konsumentinnen und Konsumenten zu weiteren Unterstützungen für die Wasserkraft Schweiz Ja sagen? Wir alle wissen, dass es dabei wohl weniger um das Überleben der Wasserkraft denn um die Weiterexistenz von Firmen geht, in denen teils das Management den Aktionären sagt, was zu tun ist.

Erinnert sei, dass die Kantone der Nordostschweiz 1914 die Elektrifizierung der Region mit der Gründung der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK), der heutigen Axpo Gruppe, sicherstellen wollten. In der Westschweiz schlossen sich 1919 die regionalen Elektrizitätsunternehmen zur Energie de l’Ouest-Suisse (EOS), der heutigen Alpiq, zusammen. Gemeinsam konnten sie die Risiken und Kosten des Baus grösserer Wasserkraftwerke sowie später der Kernkraftwerke stemmen. Das war der Beginn der Partnerwerke. In der jetzigen Zeit des Umbruchs in der Energiewirtschaft sind die staatlichen Besitzer aufgerufen, ihre Verantwortung als Eigentümer wahrzunehmen. Sie sind es, die nun eine Neustrukturierung aus einer übergeordneten Perspektive und nicht aufgrund der Individualinteressen der einzelnen Werke angehen müssen.

Was die Uhrenindustrie in den Achtzigerjahren unter Schmerzen tun musste, ist nun auch im Stromsektor unumgänglich: Ein radikaler Abbau von Doppelspurigkeiten, eine Fokussierung auf relevante Geschäftsbereiche und eine vertikale Integration. Heute gibt es im Strom- wie im Gassektor Werke auf kommunaler, kantonaler und interkantonaler Ebene: Ich behaupte, mindestens eine Ebene ist überflüssig und sollte baldmöglichst eliminiert werden.

Ob die Eigentümer, die Regierungen vieler Kantone und einzelner Städte den Mut dazu haben? Ich hoffe es….

PS: Vorgängig müsste einigen Politikern der Unterschied von fixen und variablen Kosten in einer Weiterbildungsoffensive vermittelt werden: Auch in anderen Branchen sind die Unternehmen froh, wenn in schlechten Zeiten zumindest die variablen Kosten gedeckt sind. Aber bei staatlichen Unternehmen (die sich vor allem ja bezüglich Salären als private verstehen) müssen permanent die Vollkosten und noch einige unnötige Overheadkosten gedeckt sein, damit die staatlichen Eigentümer sich ihrer Einkünfte aus den Dividenden sicher sind.

 

Der Text erschien im Energate Messenger vom 26. Mai 2017