Von staatlichen Bürgschaften zur Green Bank?

Einer meiner Grossväter, ein SBB-Beamter mit Arbeitsort Olten, war in einer Freimaurer-Loge engagiert. Er war dort für ein anderes Mitglied eine Bürgschaft eingegangen, weil sich dies unter „Brüdern“ so ziemte. Dies war in den frühen Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts – mitten in der grossen Weltwirtschaftskrise – ein nicht geringes Risiko. Und tatsächlich: Weil sich die Geschäfte nicht wie erhofft entwickelten, kam mein Grossvater zum Handkuss. Er musste für eine nicht unerhebliche Summe als Bürge geradestehen. Deshalb wurde mir schon als Kind von der Grossmutter immer wieder eingebläut, mit Bürgschaften ja sehr vorsichtig zu sein. 

Uhrenkrise verlangt neue Instrumente des Staates

Die Folgen der Uhrenkrise waren schmerzhaft. Im Auftrag des Bundesrats sollte darum der damalige BIGA-Direktor Jean-Pierre Bonny ein Hilfspaket für die betroffenen Regionen zusammenstellen. Ziele waren die Ansiedlung neuer Firmen, pfiffige Innovationsprojekte bestehender Unternehmen, die Förderung neuer wirtschaftlicher Aktivitäten und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Als Liberaler tat sich Bonny vorerst schwer mit diesem Auftrag. Er spielte in Gedanken mit den verschiedensten Ideen, unter anderem die Schaffung einer eigentlichen staatlichen Investitionsbank.

Ein ungewöhnlicher Geburtsort: Loch 5 im Golfclub Blumisberg

Um den Kopf zu lüften, ging Jean-Pierre Bonny auf dem Golfplatz Blumisberg eine Runde spielen. Angelangt beim Loch 5 hatte er seine Überlegungen geordnet und das künftige Massnahmenpaket im Kopf. Er verabschiedete sich von der Idee einer staatseigenen Bank und konzentrierte sich auf ein Konzept mit Bürgschaften, Zinsverbilligungen und Steuererleichterungen. Gleichzeitig nahm er aber die Geschäftsbanken in Pflicht. Diese durften nur auf einem Drittel der benötigten Kredite Bürgschaften beantragen. Auf einem zweiten Drittel hatten sie Darlehen aufgrund banküblicher Sicherheiten zu vergeben. Auf dem verbürgten Kredit mussten sie zudem eine Zinsreduktion von einem Viertel gewähren. So musste der Unternehmer, nach einem gleich hohen Zinsopfer von Bund und Kanton, nur noch einen Viertel des Zinses berappen (der war damals noch deutlich höher als heute).

Arrêté Bonny: Der Start von PPP in der Schweiz

Damit war die Grundformel für die Kooperation bei der Wirtschafts- und Technologieförderung geprägt. Der Staat trägt nicht alleine das Risiko, vielmehr prüfen Wirtschaft, Banken und Staat gemeinsam die Projekte, engagieren sich in enger Absprache und tragen mögliche Verluste gemeinsam. Dank dieser Formel des „Arrêté Bonny“ konnten in den folgenden Jahren viele neue Firmen für die ehemaligen Krisenregionen gewonnen und auch neue Arbeitsplätze in bestehenden Unternehmen geschaffen werden. Ich habe selbst bei nicht wenigen erfolgreichen Projekten mitgewirkt, die sich für die jeweiligen Regionen im Kanton Baselland und Solothurn positiv auswirkten. Daneben gab es auch einige spektakuläre Flops. Diese zeigten aber vor allem auf, dass es sich eben um echte Risiken handelte und es nicht um reine Mitnahmeeffekte, was Skeptiker immer wieder behaupteten.

Der Bonny-Ansatz würde heute als Privat-Public-Partnership (PPP) bezeichnet. Er hebt sich wohltuend von anderen Entscheiden im Bürgschaftsbereich ab, bei denen Beamte ihre Entscheide alleine fällen. Oft auf Basis unvollständiger Informationen sowie dem Lobby einzelner Firmen in den Amtsstuben und dann – wie etwa bei der Hochseeschifffahrt – hohe Verluste einfahren.

Technologiefonds: Ein neues erfolgreiches PPP

Parlamentarische Initiativen erreichten, dass 2010 das Gebäudeprogramm der Kantone starten konnte. Für die Finanzierung von energietechnische Sanierung von Häusern und Haustechnik wurde ein Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe eingesetzt. Parallel dazu wurde auf Initiative von Nationalrat Ruedi Lustenberger ein kleiner Teil dieser Gelder in einen separaten Topf geleitet. Damit sollten Start-ups und Innovationen im Cleantech-Bereich unterstützt werden. Der Vollzug dieses Technologiefonds wurde entlang des Bonny-Konzept aufgegleist, nämlich in enger Zusammenarbeit zwischen den Bundesämtern für Umwelt und Energie und der Privatwirtschaft. Die Prüfung der Gesuche erfolgt durch die im Innovations- sowie Venture-Bereich tätige Emerald Technology Ventures, die CO2-Aspekte werden durch Southpole-Experten abgeklärt. Über die finanziellen Engagements des Fonds entscheidet nicht der Staat, sondern ein Bürgschafts-Komitee. Es steht unter Leitung des ehemaligen Kreditchefs der Schwyzer Kantonalbank und ist mit vier Fachleuten aus der Wirtschaft sowie je einem Vertreter von BAFU und BFE besetzt. Die bisherige Bilanz des Technologiefonds ist sehr positiv: Von rund 90 Engagements entpuppten sich nur gerade vier als Flops, einige Start-ups haben Potential zu echten Capricorns.

Die Risiken für Investments im Klima- und Energiebereich

Wir alle wissen, dass die Herausforderungen des Klimawandels und des Umbaus unseres Energiesystems mit Risiken verbunden sind. Private können diese Risiken nur teilweise tragen, weil Regulierungen und andere Hemmnisse ein weitergehendes Engagement verhindern. So suchen beispielsweise recht viel Pensionskassen nach Anlagen im Bereich von Start-ups. Teilweise wären Fonds auch bereit, Investitionen in erneuerbare Energien in Drittweltländern zu forcieren. Doch die Risiken sind im aktuellen Umfeld zu hoch. Darum werden solche sinnvollen Investitionen mit teils hoher CO2-Reduktion und attraktivem Arbeitsplatzeffekt sehr oft nicht getätigt. 

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass das Instrument der staatlichen Bürgschaft und Ausfallgarantie derartige Fonds beflügeln können. So haben die dänischen Pensionskassen einen Dachfonds von 700 Millionen Euro geschaffen, der Venture- und Wachstumsfinanzierungen ermöglicht. Dank einem garantiebasierten Anleihemodell ist es nicht nur gelungen, direkt Kapital an die Start-ups zu vermitteln. Indirekt werden dadurch auch weitere staatliche Anleihen in diesem Bereich mit Pensionskassengeld unterlegt und so das Wachstum der Unternehmen unterstützt.

Mehr Green Investments für institutionelle Anleger 

Auch unsere Pensionskassen und deren Fonds könnten sich vermehrt bei Start-ups sowie grünen Investitionen in Entwicklungsländern engagieren, wenn sich ein Teil der Risiken über staatliche Bürgschaften, Garantien oder Beteiligungen abdecken liesse. Aber vorerst gelten die Vorgaben der FINMA und die sind meist sehr strikt, da ist alles voller Risiken und Gefahren. Die in den nächsten Monaten zur Diskussion stehende Ausgestaltung des Klimafonds innerhalb des CO2-Gesetzes könnte einen wichtigen Anstoss geben, neue Konzepte eines zukunftsweisenden PPP zu entwickeln und zusammen mit den staatlichen Stellen ein neues Verständnis von zukunftsträchtigen Klima- und Energie-Investments zu erarbeiten.

Kommt nun die Green Bank?

In den Achtzigerjahren hatte Jean-Pierre Bonny die Idee einer staatlichen Investitionsbank für die benachteiligten Regionen verworfen, weil die Geschäftsbanken dies als ihr Kerngeschäft ansahen und vehement Opposition machten. Heute sind in verschiedensten europäischen Ländern staatsnahe Green Banks aktiv. Sie sind eng mit den Geschäftsbanken vernetzt und setzten gemeinsame Finanzierungen für Klima- und Energieprojekte auf. Weder die Klima-Engagements der deutschen kfw-Bankengruppe noch die britische Green Investment Bank sind dabei Kinder linker Regierungen. Es sind einfach kluge Konzepte eines neuen Verständnisses von Public-Private-Partnerships, die allen Vorteile bringen, CO2-Emissionen reduzieren und wirtschaftsnahe Lösungen garantieren. Ob sich auch bei uns in der Schweiz die Banken und Regulierungsbehörden in diese Richtung bewegen? Dann könnte  aus dem heute beim BAFU angedachten Klimafonds schon bald eine zukunftsgerichtete Bank mit Beteiligung von Banken, Fonds und weiteren institutionellen Anlegern für eine grüne Zukunft werden.

Der Blog erscheint am 25. Februar 2021 im Energate Messenger