Januar – Splitter

Corona hat uns fest in Griff, schränkt unsere Kontakte ein und erschwert das Networking. Deshalb aus meinem Homeoffice nicht mehr als einige Splitter zu Ereignissen, News sowie aktuellen Entwicklungen.

Energieautarkie für Gebäude ist sehr teuer

Den Jahresauftakt bildete wie immer die Verleihung des Watt d‘Or, die dieses Jahr rein digital stattfand. Bemerkenswert ist die Verleihung eines Gebäudepreises an die Umweltarena um den rührigen Walter Schmid. Er hatte bereits 2012 einen Lifetime-Watt d’Or für sein langjähriges Pionier-Engagement erhalten hat. Nun zeigt er zusammen mit seinem Sohn René auf, dass bei grösseren Überbauung Energieautarkie zwar möglich, Energieselbstversorgung im Verbund aber sinnvoller und kostengünstiger ist. Die Nutzung des Strom- und Gasnetzes ermöglicht die Power-to-Gas Umwandlung von überschüssigem Strom in erneuerbares Gas. Dieses wird so im Sommer gespeichert und dann erst im Winter genutzt, was die Winterstromlücke reduzieren hilft.

Berg- oder Flachlandprojekte zur Schliessung der Winterlücke günstiger?

Auch ein zweites mit dem Watt d’Or ausgezeichnetes Projekt trägt dazu bei: Das schwimmende Solarkraftwerk von Romande Energie auf dem Lac des Toules. Es ist ein Pionierprojekt, mit dem Erfahrungen zu den speziellen Produktionsbedingungen auf 1’800 Meter Höhe gesammelt werden. Spannend wird sein, ob sich schwimmende oder an den Staumauern montierte Anlagen wie jene des ewz an der Albigna durchsetzen werden. Noch viel spannender ist die Frage, welche Kostenreduktionsfaktoren noch vorhanden sind, wenn man die Lac des Toules/Albigna-Produktion mit dem geplanten Axpo/IWB-Projekt an der Muttsee-Staumauer vergleicht.

Oder hat etwa gar der Solarpionier Urs Muntwiler recht? Er hat ausgerechnet, dass die Kosten dieser Anlagen im Gebirge derart hoch sind, dass im Flachland für denselben Betrag die vierfache Fläche zugebaut werden könnte. Im Winter würden sich so trotz witterungsmässig bedingtem schlechteren Erntefaktor in etwa dieselben Produktionskosten pro Kilowattstunde ergeben. Immer mehr Leute aus Wirtschaft und Wissenschaft sind sich inzwischen einig, dass es für Neubauten am besten in allen Kantonen eine Pflicht zu Photovoltaik-Dächern geben sollte. Denn schon bald gibt es eine „Roof-Parity“, weil man – netto ohne Mehrkosten – ein Solardach statt eines normalen Daches installieren und den überschüssigen Strom selbst verkaufen kann.

H2 gewinnt an Fahrt – gerät die Schweiz ins Hintertreffen?

Verdient haben sich den Watt d’Or auch H2 Energy und alle Promotoren rund um Rolf Huber sowie Philipp Dietrich. Mit viel visionärem Geist machen sie Wasserstoff für den Schweizer Schwerverkehr attraktiv und bringen zusammen mit Hyundai nun 1’500 Lastwagen auf die Schweizer Strassen, die mit grünem Wasserstoff betankt werden. Gespräche mit Transporteuren zeigen mir, dass die Nachhaltigkeitsbotschaft angekommen ist. Verschiedenste Konzepte werden umgesetzt, weil die Kunden diese Ökoqualität immer mehr nachfragen.

In der Schweiz sind es bisher primär private Initiativen, die Wasserstoff aus dem Forschungslabor in die ersten Marktanwendungen katapultieren. Demgegenüber wird in Deutschland H2 bereits als „Champagner der Energiewende“ verstanden. Die Umnutzung bestehender Gasnetze zum Transport von Wasserstoff soll schon bald eine neue Aufgabe der deutschen Bundesnetzagentur werden. In Europa und Deutschland geht beim Wasserstoff die Post ab. Der ehemalige stellvertretende EU-Generaldirektor Christopher Jones mahnt denn auch die Schweiz in einem lesenswerten Text, siehe hier (LINK), beim Entstehen dieses europäischen Wasserstoffmarktes nicht ins Hintertreffen zu geraten. Wenn sie sich jetzt nicht zukunftsgerichtet aufstellt, wird sie beim Wasserstoff keine Transitrolle wie bei anderen Energieträgern spielen können.

Wann kommen wir wieder zusammen?

Digitale Formate wie die diesjährige Watt d’Or Preisverleihung können Informationen vermitteln und Wissen weitertragen. Aber es fehlt der Glamour, das Networking und der persönliche Austausch, den uns all die Plattformen von Teams, Zoom über Skype und Webex nicht wirklich bieten können. Noch können wir nur hoffen, dass die Powertage im Juni stattfinden, noch ist unklar, ob die bereits vom Jahr 2020 ins 2021 verschobenen Jubiläumsfeiern 100 Jahre des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie VSG im Mai mit physischer Präsenz stattfinden darf.

Wir haben in den letzten Monaten auch gelernt, dass digitale Ganztagesanlässe mit dichtem Programm kaum zu einem Erfolgsprodukt werden: weder das jetzt stattfindende WEF noch der Stromkongress vermochten zu überzeugen. Auch wenn sich bei der Ansprache von Simonetta Sommaruga das Dekor mit der riesigen Schweizerfahne und dem Alpenpanorama vom üblichen Kursaal-Charme deutlich abhob.

Messen wandeln sich zum Angelpunkt permanent aktiver Communitys

Attraktiv war demgegenüber die ebenfalls diese Woche ausgestrahlte Vorschau auf Innovationen und Vorbereitungsarbeiten der Swissbau 2022. In der rund einstündigen Schau gab es Life-Schaltungen nach Los Angeles, Präsentationen der wichtigsten Formate sowie diversen Kurzinterviews. So wurden die wesentlichen Themen aber auch der Weg der Erarbeitung dieser Grossveranstaltung aufgezeigt. Dabei wird das an der Messe zu erlebende Innovation Lab nur der Schlusspunkt sein eines ganzjährigen Projekts mit intensiven Kreativworkshops und Kooperationsrunden zwischen verschiedenen Playern der Branche. Im Innovation Lab werden dann die erarbeiteten neuen Erkenntnisse und konkrete Beispiele für eine erfolgreiche Bauzukunft präsentiert. Messen sind nur dann erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, Communities zu bilden, die sich auch zwischen den Messen austauschen, Innovationen aushecken und Leuchttürme realisieren, die dann an den Messen gezeigt werden können.

Weiterbildung: Taten statt Worte nötig!

Ob diese Innovationsprojekte dann auch breit in der Baubranche umgesetzt werden, will ich aktuell offenlassen. Eine mit viel Hoffnung an der Swissbau 2016 von BauenSchweiz und vielen Branchenverbänden unterzeichnete Charta zur Weiterbildung, die dort an Bundesrätin Doris Leuthard übergeben wurde, hat jedenfalls noch nicht überall den Weg in den Betriebsalltag gefunden. Bei diversen Bau-, Umbau- und Erneuerungsprojekten im meinem persönlichen Umfeld mache ich immer wieder enttäuschende Erfahrungen. So werden beispielsweise möglichst wenig Teile repariert, sondern durch neue Teile ersetzt, weil dies eine höhere Marge bringt. Zweitens wollen noch immer viele Handwerker bestehende Heizungen und Boiler mit derselben (fossilen) Technologie ersetzen, weil Wärmepumpen und andere erneuerbare Heizsysteme etwas komplexer sind und man sich dafür eben weiterbilden müsste. Wann zeigt BauenSchweiz mit Zahlen und Fakten, dass die 2016 unterzeichnete Weiterbildungscharta auch umgesetzt wird?

Erscheint am 28. Januar 2020 im Energate Messenger Schweiz