Gehören Strom und Gas zum Service Public

Die Affäre um die nicht erlaubten Gewinne bei den Postautos bringt die Diskussion um den Service Public wieder mal ins Zentrum des politischen Interesses.

Auch der Strom- und Gassektor wird oft zum Service Public gezählt, weil sich die Unternehmen grossmehrheitlich in öffentlichem Besitz befinden. Doch nicht wenige dieser Unternehmen haben den Anspruch, rein privatwirtschaftlich zu handeln und schöpfen zumindest einzelne Attribute wie Saläre und Boni in ähnlichen Grössenordnungen wie Banken voll zu ihren Gunsten aus.

Mit Rotstift korrigiert…

Auch wollten diese Unternehmen lange Zeit von der Politik möglichst in Ruhe gelassen werden, weil sie ja selbst am besten wüssten, was sie zu tun haben. Bundesratssohn Rolf Ritschard hat in den Achtzigerjahren deshalb etwas provokativ formuliert: In den meisten Politikbereichen sagt der Staat unter dem Stichwort Rahmenbedingungen, was die Unternehmen zu tun und zu unterlassen haben – ganz anders in der Energiepolitik, da sagen die Unternehmen, was der Staat zu tun hat und darf. So verhinderte beispielsweise Atel im Kanton Solothurn während langer Zeit die Schaffung eines kantonalen Energiegesetzes. Auch hat Atel noch kurz vor der Jahrtausendwende den vom zuständigen Departement zuhanden des Regierungsrates erarbeiteten Entwurf der Vernehmlassungsantwort zum neuen Kernenergiegesetz mit Rotstift korrigiert, weil die Beamten im Rathaus von diesen Fragen ja zu wenig verstehen würden. Das wurde dann vom Regierungsrat doch als Affront empfunden: man lasse sich nicht wie Schulbuben behandeln…

Loyale Bundesgenossen oder der Gewinn-Maximierung verpflichtet?

Inzwischen sind auf Bundesebene diverse Gesetzesgrundlagen geschaffen worden: das Energiegesetz, das Stromversorgungsgesetz und auch das Kernenergiegesetz, welche den Aktivitäten der Energieunternehmen einen Rahmen geben und den Service Public zumindest teilweise definieren. Man könnte davon ausgehen, dass öffentlich beherrschte Unternehmen sich loyal zu diesen Gesetzen stellen und beim Vollzug konstruktiv mitwirken. Wenn nun aber beinahe zehn Jahre nach Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes die verlangte Übertragung der Stromnetze von den bisherigen Eigentümern Alpiq, Axpo, BKW etc. zur Swissgrid noch nicht abgeschlossen ist, dann zeigt dies ein anderes Verständnis. Man will möglichst viel rausholen und schöpft den vollen gerichtlichen Instanzenweg bis ans Bundesgericht in Lausanne aus, um sich die Netze vergolden zu lassen.

Interessen nicht immer kongruent

Zudem ist es bei vielen EVUs noch immer Usanz, dass der CEO dem oft stark von Vertretern der Politik dominierten Verwaltungsrat sagt, wie die Stromwelt funktioniert und was sie zu denken sowie zu entscheiden haben. Da wollte ich vor kurzem mit einem Mitglied des Verwaltungsrates einer grösseren Stromfirma über eine strategische Entscheidung sowie die möglicherweise tangierten Aktionärsinteressen diskutieren. Er verwies mich direkt an das Management. Sorry, in nicht wenigen Fällen sind die Interessen des Managements nicht kongruent mit den Interessen der Aktionäre. Deshalb haben fortschrittlichere Kantone und Kommunen begonnen, konkrete Eigentümerstrategien für die von ihnen beherrschten Unternehmen zu formulieren und zu sagen, welche Leistungen sie im Sinne des Service Public erwarten.

Sind diese Saläre dem Service Public angepasst?

Wenn eine Firma einen Service Public erfüllt, dann ist sie in einem stark regulierten Umfeld tätig. Der Gesetzgeber garantiert meist kostendeckende Tarife inklusive einer angemessenen Eigenkapitalrendite. Ist es da adäquat, dass das Management einiger Stromunternehmen Saläre und Boni zwischen 1 und beinahe 2 Millionen Franken erhält und damit beinahe doppelt so viel verdient wie die Chefs der dem Bund gehörenden Unternehmen, deren Saläre die Politik reduzieren will?

Mehr als eine Milchkuh für den Finanzdirektor?

Moritz Leuenberger hat vor kurzem in einem Interview kritisch angeführt, dass der Service Public beinahe immer in der Krise sei und permanent neu definiert werden müsse. Dies gilt auch für den Energiesektor: Gesellschaft und Politik müssen sagen, was sie von den Strom- und Gasunternehmen in diesen Zeiten des Wandels erwarten und wie der Sektor aufgestellt sein sollte. Denn es gibt neben den Interessen der jeweiligen Finanzdirektoren an möglichst hohen Einnahmen für die Kantons- oder Gemeindekasse auch volkswirtschaftliche und versorgungspolitische Interessen. Letztere bilden überhaupt erst die Legitimation, dass ein Unternehmen im öffentlichen Besitz ist. Ansonsten könnte man es zu 100% privatisieren und mit dem Erlös Schulden tilgen sowie Steuern senken.

Erscheint im Energate Messenger Schweiz am 23. Februar 2018