E-Mobilität vor dem Durchbruch?

Ich bin seit anfangs 2017 beim Pilotprojekt Green Class der SBB dabei. Das Paket umfasst ein Generalabonnement der SBB in der 1. Klasse, einen BMW i3, der als Mietfahrzeug in meiner Garage steht. Weiter kann ich in der ganzen Schweiz die Mobility-Flotte nutzen und vielen Städten Bikes sowie E-Bikes abrufen. Das Ganze kostet pro Jahr rund  12‘000 Franken. Während mehr als 1,5 Jahren habe ich täglich meine Fahrten und deren Zweck auf der zugehörigen App rapportiert, habe Auswertungen erhalten und viel über mein Mobilitätsverhalten gelernt.

Deutlich geringerer CO2-Ausstoss

Ich kann stolz bekanntgeben, dass ich dank Green Class einen deutlich geringeren CO2-Fussabdruck habe. Gleichzeitig muss ich aber eingestehen, dass dies primär auf den Wechsel von meinem früheren, fossil betriebenen Auto zum elektrischen BMW i3 und nicht auf wesentlich mehr gefahrene öV-Kilometer zurückzuführen ist.  Denn nach meiner Pensionierung nutze ich die neugewonnene Freiheit durchaus auch für Ausflüge mit dem Elektroauto, beispielsweise um Schwimmbäder zu besuchen, Fitnesszentren am anderen Ende der Stadt zu testen oder auch mal einen Kulturanlass in den umliegenden Städten zu geniessen. Selbstverständlich nutze ich für längere Distanzen weiter den öV und habe kürzlich auch erstmals auch eine Reise in den Osten Deutschlands mit dem Zug absolviert. Fazit: Gesamthaft hat meine Mobilität zugenommen, mein öV-Anteil ist leicht gestiegen, weil ich mit der Bahn statt mit dem Flugzeug reise – innerhalb des geografisch näheren Radius nutze ich aber gerne den BMW i3.

Zeichen des Wandels

Inzwischen hat Green Class SBB die Pilotphase verlassen. Heute kann jede/r über Internet zwei Varianten der Green Class bestellen. Spannend zu beobachten wird sein, ob sich die Schweizerinnen und Schweizer überlegen, ob das eigene, möglichst grosse sowie fossil betriebene Auto weiterhin ein wichtiges Statussymbol ist oder ob heute die kombinierte Mobilität und morgen gar „Mobility as a service“ im Zentrum stehen. Eine durchaus legitime Überlegung: Denn mein BMW i3 steht während 95% der Zeit in einer Tiefgarage und könnte während diesen Stunden locker von 2-3 weiteren Personen genutzt werden – „sharing“ heisst das Zauberwort.

Auch die Autoimporteure stehen vor einem grösseren Wandel

Um die neuen, massiv tieferen Emissionsziele von 95 gCO2 pro Kilometer ab 2020 zu erreichen, müssen wohl beinahe 20% der verkauften Neuwagen über einen alternativen Antrieb verfügen. Hier wird wohl die batteriebasierte E-Mobilität die Nase vorne haben, weil derzeit weder Gas noch Wasserstoff überzeugende Fahrzeug- und Betankungs-Alternativen bieten können. Zudem wurde in den letzten zwei Jahren die Zahl der Elektroladestationen massiv ausgebaut, insbesondere die Schnelladestationen, bei denen man nach 15 – 20 Minuten mit ausreichend aufgeladener Batterie seine Reise fortsetzen kann. Zudem sind die Tank-Karten der verschiedenen Anbieter inzwischen harmonisiert und an den meisten Stationen einsetzbar.

Leistungsfähigere Batterien gefragt

Mein BMW i3 hat im Sommer eine Reichweite von rund 220 Kilometern, im Winter reduziert sich diese auf etwa die Hälfte. Die europäischen Hersteller von E-mobilen stehen vor der Herausforderung, ihre Fahrzeuge mit deutlich leistungsfähigeren Batterien auszurüsten. Ansonsten dürfte wohl China auch in diesem Bereich den Lead übernehmen, wie es dies nach den PV-Panels, den Windgeneratoren und aktuell auch bei den E-Rollern mit einigem Erfolg tut. China investiert derzeit massiv in den Ausbau der Batterienproduktion sowie der entsprechenden Forschung. Wenn insbesondere Deutschland hier nicht mithalten kann, wäre dies ein harter Schlag für die traditionsreiche deutsche Automobilindustrie und auch ein schmerzhafter Verlust für viele ihrer schweizerischen Zulieferer.

Erscheint am 30. August 2018 im Energate Messenger