Das BFE hat einen guten Job gemacht

Herr Steinmann, Sie haben ihr Amt als Direktor des BFE per Ende September 2016 abgegeben. Wie haben sie das BFE im ersten Jahr unter Benoit Revaz wahrgenommen?

Das BFE hat ein intensives Jahr hinter sich. So musste es die Energiestrategie vorantreiben und nach den Gesetzestexten die dazugehörigen Verordnungen ausarbeiten. Zudem gab es zahlreiche weitere Dossiers. Dazu gehören etwa die Marktdesign- und Wasserzinsdiskussionen. Das Amt war also gefordert. Insgesamt hat das BFE aus meiner Sicht einen sehr guten Job gemacht.

Gibt es Entwicklungen, die Sie für bedenklich halten?

Ich wäre froh gewesen, wenn man die Strategie Stromnetze ohne den Teil Durchschnittspreismethode durchgebracht hätte. Wenn das Bundesgericht endlich mal etwas entschieden hat, sollte man das akzeptieren und nicht nachträglich neue Rahmenbedingungen schaffen um irgendwelche Gruppierungen zu schützen.

Nochmals zurück zur Energiestrategie. Kritiker bemängeln, dass der Treibstoffbereich nicht wirklich abgedeckt wird. Stört Sie das nicht?

Nun, wir haben keine CO2-Abgabe auf Treibstoffe. Das ist bedauerlich. Dies ist jedoch eine Referenz an die direkte Demokratie, denn das würde man nie durchbringen. Trotzdem ist der Treibstoffbereich abgedeckt. So haben wir klare CO2-Vorgaben bei Neuwagen. Die Vorgaben gelten zudem nicht nur für Personenwagen, sondern neu auch für Lieferwagen. Dies treibt die Autoimporteure ziemlich an.

Hebt die Energiewende nächstes Jahr ab?

Die Energie wendet nicht, sie entwickelt sich weiter. Wir haben dazu nun eine Strategie mit Zeithorizont bis 2050. Ein Jahr ist also nur ein kleiner Mosaikstein. Einige Sachen sind jetzt für ein paar Jahre geregelt. Trotzdem ist es klar, dass noch viel nötig sein wird. Einerseits brauchen wir neue Technologien. Andererseits wird viel über das Marktdesign gesprochen. Wir brauchen wieder mehr Markt und nicht immer mehr Subventionen. Ich hoffe deshalb, dass die Politik intelligent ist und in die Zukunft und nicht in die Aufrechterhaltung von Strukturen investiert.

Sie haben das Marktdesign beziehungsweise die Marktliberalisierung angesprochen. Werden sich hierfür politische Mehrheiten finden lassen?

Ich gehe davon aus, dass durch die neue Möglichkeit der Eigenverbrauchsgemeinschaften die Marktöffnung bottom-up zumindest angestossen wird Zur Marktöffnung im Allgemeinen: Wettbewerb bedeutet immer, dass Innovationen vorangetrieben werden. Von diesen Innovationen kann der ganze Energiesektor profitieren. Natürlich gibt es aber auch Opposition, beispielsweise aus Angst um die Arbeitsplätze im Energiesektor. Ich glaube aber, dass sich die Arbeitsplätze eher weiterentwickeln – es wird neue Berufsbilder geben mit anderen Qualifikationen. Dies ist auch in allen anderen Sektoren so.

Sie haben also keine Angst, dass bei einer Strommarktliberalisierung nur noch günstiger „Dreckstrom“ nachgefragt wird?

Das ist Gejammer. Werfen wir doch einmal einen Blick in andere Branchen, zum Beispiel in diejenige der Lebensmittel. Hier haben die Schweizer Grossverteiler Coop und Migros im Gegensatz zu den deutschen Discountern – wo der Preis das zentrale Argument ist – ein leicht grünes Image. Damit sind sie erfolgreich, denn der Schweizer ist im Herzen ein bisschen grün. Klar spielt der Preis auch eine Rolle, mitendscheidend sind aber noch ganz andere Qualitäten.

Nun zum Energiemarkt. In Deutschland liegt die Wechselrate bei etwa drei bis vier Prozent. Weiter scheint der Preis nicht alleinig auschlaggebend zu sein, denn auch die ökologischen Angebote behaupten sich im Markt. Das Argument, dass mit der Strommarktliberalisierung die Energiewende torpediert wird, ist folglich Panikmache. Sie kommt von Personen, die sich einfach nicht mit der neuen Welt auseinandersetzen wollen.

Kommen wir nun noch zur viel diskutierten Studie „System Adequacy“. Demnach ist die Versorgungssicherheit sichergestellt, solange die Schweiz in Europa integriert und die europäischen Länder exportwillig- und fähig sind. Kritiker sagen, man dürfe sich nicht in diesem Ausmass auf das Ausland verlassen. Was halten Sie davon?

Die Schweiz war noch nie energieautark. 75 bis 80 Prozent des Energieverbrauchs in der Schweiz stammen aus fossilen und damit aus importierten Quellen. Auch im Stromsektor hatten wir noch nie eine nationale Vollversorgung. Dies darf auch so bleiben. Die Schweiz hat zudem bestimmte Trümpfe im europäischen Strommarkt. Diese Assets müssen wir möglichst gut verkaufen.

Was erhoffen Sie sich für das Energiejahr 2018?

Ich hoffe, dass wir das CO2-Gesetz gut voranbringen und damit wirklich einen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen in allen Bereichen leisten können. Weiter müssen intelligente Lösungen für die Wasserkraft gefunden werden. Hier muss uns aber bewusst sein, dass die Zukunft der Wasserkraft nicht gleichbedeutend ist mit der Zukunft von Alpiq und Axpo.

Sie haben die Wasserkraft angesprochen. Momentan sieht es so aus, dass wir künftig einen liberalisierten Strommarkt, gekoppelt mit einer strategischen Reserve haben werden. Genügt das für die Wasserkraft?

Die Preise auf dem Markt werden sich, insbesondere wenn Deutschland seine Kernkraftwerke vom Netz nimmt, erholen. Weiter fortsetzen wird sich diese Preiserholung durch die allfällige stärkere CO2 Einpreisung, die einige europäische Länder ja anstreben. Von dem her glaube ich, braucht es keine weitere Massnahmen. Wir müssen aber schauen, dass wir bei den Wasserzinsen ein intelligentes Regime finden werden. So müssen Bundesrätin Doris Leuthard und das BFE nun schauen, wie Sie auf die erfolgte Vernehmlassung reagieren wollen.  

 Jahresinterview im Energate Messenger vom 29. Dezember 2017