Abschied vom EEA

Nach vierzehn Jahren habe ich vergangenen Montag das Präsidium des European Energy Award EEA, der Vereinigung europäischer Energiestädte, abgegeben. Seit 2003 engagierte ich mich dafür, das 1990 in der Schweiz lancierte Energiestadt-Label, in ganz Europa zu verbreiten. Damals – 1990 – waren sich in der Schweiz nach einer Volksabstimmung zum Ausstieg aus der Kernenergie Gegner und Befürworter dieser Technologie einig, dass Energieeffizienz zu einem zentralen Thema gemacht werden sollte und die Kommunen bei der Umsetzung – weil bürgernah – eine wichtige Rolle zu spielen haben. Es war Bundesrat Adolf Ogi, der 1991 das erste Label an die Stadt Schaffhausen übergab, der bald die Pioniergemeinden Birsfelden, Olten, Lenzburg und Münsingen folgten.

Heute sind in Europa rund 1500 Gemeinden als Energiestädte zertifiziert und die neu in Brüssel domizilierte Asssociation European Energy Award EEA wird von den Regierungen in Wien, Paris, Luxemburg, Berlin aber auch in Bozen und Rom sowie bei der EU-Kommission in Brüssel als wichtiges Instrument im Bereich nachhaltige Energieversorgung sowie Klimaschutz gesehen.

Europäische Konvergenz und nationale Bremser
Die Debatten und Auseinandersetzungen im Vorstand des EEA haben mir des Öfteren gezeigt, dass es nicht immer einfach ist, eine gemeinsame Sache auf europäischer Ebene voranzutreiben. Unterschiedliche politische Systeme und Kulturen aber auch nationale Interessen sowie kurzfristige kommerzielle Überlegungen verunmöglichten ein rasches Tempo und mutige Schritte zur Profilierung auf einer höheren Ebene. Immer wieder waren wir blockiert, weil ein nationaler Partner nicht mitziehen wollte. Nicht selten hätte ich mir gewünscht, dass wir mit absehbaren klaren Mehrheiten Neues lanciert hätten und die Unterlegenen bei irgendeinem Europäischen Gericht dagegen Klage hätten erheben können. So aber kamen wir oft nur in kleinsten Schritten voran, sodass sich Konkurrenzinitiativen etablieren und wir uns nicht mit der nötigen Stärke und rasch genug entwickeln konnten.

Das Präsidium des EEA habe ich dem Luxemburger Staatssekretär Camille Gira übergeben dürfen, der sich als Vertreter eines anderen Kleinstaates Europas mit dieser bottom-up-Initiative bereits als Präsident einer kleineren Gemeinde Luxemburgs auseinandergesetzt und dort die Gold-Auszeichnung mit einem fortschrittlichen kommunalen Energiesystem errungen hatte.

Die EVU als zentrale Player
Mit dem Goldlabel ausgezeichnet wurden am vergangenen Montag in Luxemburg auch die Schweizer Kommunen Luzern, Ossingen, Entlebuch und Saxon. In Gesprächen mit diesen Vorbildskommunen wurde mir dabei wieder einmal deutlich, dass der Einbezug der lokalen Elektrizitätsunternehmen in die lokalen Energiestadt-Aktivitäten immer wichtiger wird. Da gab es mir schon zu denken, dass mir die Vertreterin einer Kommune erklärte, ihr EW verstehe sich als unabhängige Tochtergesellschaft, mit der man sich zwei- bis viermal jährlich austausche, aber mehr könne man nicht erwarten.
Beim Umbau unserer Energiesysteme kommt den kommunalen Elektrizitätswerken auch in den Goldstädten eine führende Rolle zu. Sie werden nicht nur bei der vermehrt dezentralen Produktion und Einspeisung gefordert sein, sondern sie werden auch wichtige Funktionen beim Ausgleich sowie der Netzstabilität einnehmen müssen. Da müssen Digitalisierung und Blockchain zu wichtigen Verbundelementen der neuen Systeme werden, die in engem Austausch zwischen EVU, Wirtschaft sowie Bürgern vorangetrieben werden. Noch haben wir dabei aber gegenüber Vorreitern wie Estland grossen Nachholbedarf und da sollte man sich nicht mit Verweis auf unsere Tradition und Viersprachigkeit durchzumogeln suchen, denn das Erwachen könnte brutal werden.

Neue Herausforderungen
Nicht nur der Digitalisierung müssen sich die Energiestädte mitsamt ihren Beratern stellen. Sie werden sich auch fragen müssen, ob das bisherige ingenieurmässige Messen, Zählen, Punkten und Bewerten weiter Sinn macht. Oder sollten nun die Energiestädte ihren Fokus auf die strategische Ebene sowie die Governance legen und die Stadt- sowie Gemeinderäte vermehrt in Pflicht nehmen? Müssten Klimaschutz sowie Massnahmen der Klimaanpassung (bis hin zum präventiven Hochwasserschutz) mehr Bedeutung erhalten? Müssten insbesondere in grösseren Städten die Fragen der Luftreinhaltung mehr Gewicht erhalten? Müssten wir uns alle eingestehen, dass wir die Mobilität kaum in Griff haben und neue Konzepte dringend nötig sind? Müssten wir mehr in Sachen Lifestyle und Suffizienz wagen? Diesen Fragen wird sich mein Nachfolger in den nächsten Jahren stellen müssen. Ich habe ihn als Mann mit Visionen und durchaus vorhandenem Willen zum Machen und Realisieren kennengelernt, sodass ich mich leichten Herzens vom EEA verabschieden konnte.

Erscheint am 24. November 2017 im Energate Messenger Schweiz