Ist der CO2-Transport schon bald das grosse Thema?

Am Freitag geht die Herbstsession mit den Schlussabstimmungen zu Ende. Das Parlament wird dann definitiv entscheiden, wie es mit der Förderung der erneuerbaren Stromproduktion ab 2023 weitergeht. Vorgespurt wurde dies durch die Parlamentarische Initiative Girod. Sie hat wesentliche Elemente des vom Bundesrat im Juni ans Parlament überwiesenen Mantelerlasses übernommen und sozusagen auf der Überholspur vorzeitig in Kraft gesetzt. Ob dadurch die Chancen des Mantelerlasses sinken? Oder wird sich die «Mantel»-Debatte allein auf die Versorgungssicherheit im Winter konzentrieren und die ebenfalls zur Diskussion stehende vollständige Marktöffnung ausblenden?

Bis 2030 fixe statt flexible Wasserzinsen – Ein Vorteil für wen?
Der Ständerat hat die Parlamentarische Initiative Girod in den letzten Wochen mit einigen bemerkenswerten Elementen angereichert. Beispielsweise mit der Verlängerung des komfortablen fixen Wasserzinsregimes von 110 Franken pro Kilowatt bis 2030. Dank der Alpen-OPEC wurde diese kurzerhand ebenfalls in die Vorlage gepackt. Obwohl: Exponenten wie der umtriebige Not Carl von der IG Bündner Konzessionsgemeinden verlangen bereits noch höhere Wasserzinsen. Immerhin seien ja die Strompreise in den vergangenen Monaten massiv gestiegen. Da reibt man sich schon die Augen, wenn beim ersten Hochzucken der Strompreise eine sofortige Erhöhung der Wasserzinsen gefordert wird, bei sinkenden Strompreisen dann aber keine Bereitschaft für tiefere Entschädigungen gezeigt wird. Glaubwürdig geht anders. Und falls die Strompreise weiterhin hoch bleiben, werden wohl einige Bergkantone dem schon lange zur Diskussion stehenden flexiblen Wasserzinsregime wehmütig nachtrauern.

Wie garantieren wir die Versorgungssicherheit im Winter?
Bei der Diskussion des Mantelerlasses, der bereits im Oktober in der UREK des Ständerates traktandiert ist, wird die Stromversorgungssicherheit im Winter eines der zentralen Themen sein. Noch sind sich BFE und ElCom nicht einig, ob, wann und in welchem Ausmass Engpässe gegen Ende des Winters zu erwarten sind. Aber das Risiko ist da und es ist durchaus angezeigt, rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen. Der Bundesrat schlägt eine Winterreserve von 2 TWh sicher abrufbarem Strom bis 2040 vor. Sie soll vor allem durch den Zubau neuer Wasserkraftwerke bereitgestellt werden. Doch ob diese Kraftwerke je gebaut werden können ist unsicher. Denn an dem von Bundesrätin Simonetta Sommaruga lancierten «Runden Tisch Wasserkraft», an welchem Kantone, Kraftwerksbetreiber und Umweltschutzorganisationen gemeinsame Lösungen erarbeiten sollten, haben die Kantone ihr Engagement stark zurückgefahren. Man fragt sich, ob die Schweiz am Ende auf fossile Ersatzlösungen zurückgreifen muss, weil sich der Runde Tisch orientierungslos im Kreis drehte?


Keine Chance für Gaskraftwerke?

In der Schweiz herrscht eine langjährige Skepsis gegenüber Gaskraftwerken. Dies obwohl im Kanton Aargau während Jahrzehnten von den weltbesten Unternehmen Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) gebaut wurden. In der Schweiz selbst kamen diese kaum je zum Einsatz. Auch in den nächsten Jahren werden Gaskraftwerke wohl einen schweren Stand haben, weil die Opposition an den Standorten konkreter Projekte massiv sein dürfte.


BHKW und KVA als Alternativen
In den letzten Wochen haben die dezentralen Alternativen der GuD, insbesondere die flexibel für die Wärme- und Stromproduktion einsetzbaren Blockheizkraftwerke (BHKW) an Aufmerksamkeit gewonnen. Ebenso wie die Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA). Letztere präsentieren sich vermehrt als Energiezentralen, ganz nach dem Vorbild der KVA Bern-Forsthaus: Durch die Zuschaltung von kleinen Gasturbinen kann die Stromproduktion angekurbelt werden. Gleichzeitig profilieren sich erste KVAs mit Pilotprojekten zur Senkung des CO2-Ausstosses. Es wird eine Frage der Rahmenbedingungen sein, ob für die zusätzliche Stromproduktion fossiles Gas mit CO2-Zertifikaten oder grünes, beziehungsweise synthetisches Gas zum Einsatz kommt.


Wir werden wohl noch lange CO2 einfangen müssen…
Alle Anstrengungen sind darauf ausgerichtet, unsere Stromversorgung möglichst vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Dies wird jedoch nicht genügen, um bis 2050 Netto-Null zu erreichen. Eine neue Studie im Rahmen der BFE-Energieperspektiven 2050+ zeigt auf, dass wir um Carbon Capture and Storage (CCS) nicht herumkommen werden. Zwar wird das abzufangende CO2 nicht aus dem Energiesektor stammen, sondern aus KVAs, der chemischen Industrie, der Eisen- und Stahlproduktion sowie aus der Zementherstellung. Diese insgesamt grossen CO2-Volumina übersteigen die in der Schweiz vorhandenen Speichermöglichkeiten bei weitem. Ein grosser Teil des CO2 müsste deshalb entweder in leeren Öl- oder Gasfeldern unter dem Meer gelagert oder in geeigneten Gesteinsschichten, beispielsweise in Island und Oman, mineralisiert werden.


Wie transportieren wir CO2?
Die BFE-Studie zeigt auch auf, dass es für den Transport des CO2 viel mehr als einzelne LKW oder Tankzüge braucht. Vermutlich wird eine CO2-Pipeline Richtung Norden den Abtransport sicherstellen müssen. Irgendwann nach 2040 könnte also CO2 durch eine Röhre der Transitgas-Pipeline fliessen. Doch aktuell dominiert in Europa der Wasserstoff-Hype mit einem geplanten H2-Backbone quer durch Europa. Doch auch die CO2-Thematik wird dereinst international klug abgestimmte Lösungen brauchen. Dann könnte es sein, dass wir plötzlich drei Röhren für die Transite sowie den Abtransport aus der Schweiz brauchen: Je eine für H2, CO2 und synthetisches/grünes Gas.


It‘s time to say good-bye….
Mit diesem Ausblick in eine Zukunft beende ich nach fünf Jahren meine Blog-Tätigkeit für den Energate Messenger. Ich bin vor wenigen Tagen 70 Jahre alt geworden und meine, dass es jetzt an der Zeit ist, einen Teil meiner Engagements abzubauen. Ich danke Marianne Zünd herzlich für das Lektorat all meiner Texte in den vergangenen fünf Jahren – dank ihr wurden meine Texte attraktiv und lesbar. Ich hoffe, dass vielen Leser*innen meine monatliche Kolumne Spass gemacht und sie zum energiepolitischen Nach-, Über- und Weiterdenken angeregt hat.

Ein Gedanke zu „Ist der CO2-Transport schon bald das grosse Thema?“

  1. Lieber Walter, vielen Dank für Deine vielen, stets informativen und kurzweiligen Beiträgen. Sie werden mir sehr fehlen, da ich das jetzt wieder alles selbst zusammensuchen muss 😉
    Alles Gute, Thomas

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