Ein vielversprechender Neustart

Im vergangenen Dezember hatte der Nationalrat die Totalrevision des CO2-Gesetzes nach intensiven Diskussionen bachabgeschickt. Für die SVP waren die vorgeschlagenen Massnahmen zu weitreichend, für die SP zu wenig zielführend. Deshalb liegt es nun an der Umwelt- und Energiekommission des Ständerates (UREK-S), einen neuen, tragfähigen Kompromiss zu suchen. Noch ist die Schlussabstimmung in der Kommission nicht erfolgt. Doch die bisher gefällten Entscheide versprechen, dass mit den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen mehr Bereiche erfasst und damit zusätzliche Wirkungen erzielt werden könnten. Das von der Kommission geschnürte Paket beinhaltet auch verschiedene für die Energiepolitik und Energiewirtschaft relevante Elemente.

Klarere Ziele

Vorerst hat sich die UREK geeinigt, dass die Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 halbiert werden sollen. 60% der Reduktion sollen im Inland erzielt werden. Dadurch wird der mit einigen Unsicherheiten verbundene Zertifikatehandel reduziert und die Inlandwirtschaft erhält zusätzliche Impulse, was mit Blick auf den sich abzeichnenden Konjunkturabschwung erwünscht ist.

Wenn eine CO2-Abgabe nicht nur auf Brenn- sondern auch auf Treibstoffen eingeführt werden soll und die Emissionen mit weiteren technischen Regulierungen vermindert werden sollen, dann muss auch der Flugverkehr einbezogen werden. Mutig hat die Kommission denn auch eine Flugticketabgabe beschlossen, welche insbesondere auch die innereuropäischen Kurzstreckenflüge besteuern und damit die Fahrten mit der Bahn attraktiver machen soll. Ebenso werden neue CO2-Grenzwerte für schwere Lastwagen den Einsatz energieeffizienterer Fahrzeuge unterstützen und so zu einer Verbesserung der Klimabilanz beitragen.

Förderung der Elektromobilität

Die Kompensationsregeln bei den fossilen Treibstoffen werden von Energiekommission verschärft und insbesondere auch der Inlandanteil der Kompensationsprojekte erhöht. Die Zuschläge pro Liter Treibstoff werden aber gedeckelt und betragen ab 2025 höchstens 12 Rappen pro Liter. Mit den Erträgen sollen nicht nur erneuerbare Treibstoffe gefördert, sondern auch die Elektrifizierung der Mobilität unterstützt werden: Elektroflotten- und Ladeinfrastruktur sollen bei Bedarf gezielt Beiträge erhalten.

Die CO2-Abgabe erhöhen

Die Kommission folgt weiter dem Antrag des Bundesrates zur Erhöhung der CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen: Das Maximum soll von 120 Fr. auf 210 Fr. pro Tonne CO2 steigen. Diese Mittel sollen wie bisher grossteils den Haushalten sowie der Wirtschaft zurückerstattet werden. Wirtschaftsfreundlich zeigt sich die UREK-S bei der Möglichkeit, dass sich Firmen von der Bezahlung dieser Abgabe befreien können, indem sie sich zu eigenen, innerbetrieblichen Kompensationsmassnahmen verpflichten: Der Schwellenwert für derartige Zielvereinbarungen wird gesenkt, das Betätigungsfeld für EnAW, ACT und die Energieberater damit vergrössert.

Den Finanzsektor in Pflicht nehmen

Die Kommission will auch den Finanzsektor bei der Erreichung der Klimaziele in die Pflicht nehmen, sieht aber von konkreten Vorgaben sowie Regulierungen (noch) ab. FINMA und Nationalbank sollen aber verpflichtet werden, die klimabedingten finanziellen Risiken der unterstellten Firmen regelmässig zu überprüfen.

Der grosse Klimafonds

Anstelle der bisherigen diversen Fonds und Staatseinnahmen aus dem CO2-Bereich will die UREK ein neues zentrales Finanzgefäss schaffen. In dieses sollen höchstens ein Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe auf Brennstoffen, Sanktionserlöse aus dem Fahrzeugbereich sowie höchsten 49% der Einnahmen aus der Flugticketabgabe fliessen. Die Mittel sollen für breiter angelegte Reduktionsmassnahmen eingesetzt werden, beginnend bei den bereits bestehenden Beiträgen für Gebäudesanierungen über die Unterstützung von Massnahmen zur Reduktion des Winterstrombedarfs bis hin zur Unterstützung von Start-ups. Zusätzlich sollen neu auch Energieplanungen von Gemeinden, Regionen und Kantonen gefördert werden, welche den Ersatz von fossilen Heizungen sowie ortsfester Elektroheizungen anschieben helfen. Das sind Instrumente, die jedes Energieversorgungsunternehmen nutzen sollte, das sich im Wärmemarkt engagiert. Da die Verwendungszwecke des Klimafonds nicht abschliessend aufgezählt werden, dürften auch andere Projekte der öffentlichen Hand auf eine Unterstützung zählen können.

Intensive Vorarbeit

Dass eine mit vielversprechenden neuen Elementen versehene Vorlage derart rasch gezimmert werden konnte, ist vor allem ein Verdienst des Zürcher Ständerats Ruedi Noser. Er hat in den vergangenen zwei Jahren intensiv zusammen mit Vertretern von Wissenschaft, klimaorientierten Firmen sowie NGOs neue Wege und konkrete Ansätze geprüft, diskutiert und formuliert. Er hat mit seiner feinen politischen Nase bereits sehr früh gespürt, dass nach dem sich abzeichnenden Crash im Nationalrat innovative, mehrheitsfähige Lösungen gefragt sein werden und er in der Kommission bei den aktuell knappen Mehrheitsverhältnissen eine wichtige Rolle spielen kann. Als Mann der Wirtschaft hat er gleichzeitig auf Verbote möglichst verzichtet und versucht, klimarelevantes Verhalten über Lenkungselemente zu steuern, die Transparenz bezüglich CO2-Intensität einzelner Branchen und Sektoren zu erhöhen, sowie Innovationen und den Umbau von Infrastrukturen und Bausubstanz gezielt zu erleichtern. Es ist zu hoffen, dass dieses Instrumentenset im totalrevidierten CO2-Gesetz definitiv Eingang findet und der schweizerischen Klimapolitik nach dem Debakel im Nationalrat neuen Schwung gibt.

 

Erscheint am 29. August 2019 im Energate Messenger Schweiz